Ein Taxifahrer will wissen, wie es bei der Dumping-Konkurrenz Uber zugeht. Er lässt sich anheuern und staunt nicht schlecht.
DÜRE BI ROT: Uber-Fahrerinnen und -Fahrer verdienen nur gut halb so viel, wie der US-Konzern ihnen verspricht. (Foto: Shutterstock)
Man bezahle gut, behauptete Uber Schweiz im letzten Oktober. Nämlich 21 Franken pro Stunde. Und zwar «nach Abzug aller Kosten wie Amortisation des Fahrzeugs, Benzin und Versicherung». Zahlreiche Medien übernahmen die Zahl. Ungeprüft.
Taxifahrer Stefan Erni * konnte das nicht glauben. Er ist ein erfahrener Berufsmann in Zürich, und er kennt die Branche wie kaum jemand. Er wollte es genau wissen. Also meldete er sich als Uber-Fahrer an. Und weil er keine halben Sachen macht, fährt Erni einen ganzen Monat lang nur für den Dumping-Taxidienst. Fünf bis sechs Tage pro Woche, meist vom Nachmittag bis spät in die Nacht. Immer so lange, wie er gesetzlich darf. Heute sagt er: «Ich bin gefahren wie ein Löli.» Fast 200 Stunden hat er so im Februar dieses Jahres für Uber gearbeitet. Sein Fahrtenschreiber und die Uber-App haben alles genau protokolliert.
«Uber beutet die Fahrer nach
Strich und Faden aus.»
PROVISION FÜR UBER
Exakt 4216 Kilometer legte Erni zurück, meist innerhalb der Stadt Zürich. Er erzielte einen Umsatz von knapp 6300 Franken (siehe Tabelle). Davon zwackte Uber gut einen Viertel als Provision ab. Die Kosten für sein eigenes Auto veranschlagte Erni auf 55 Rappen pro Kilometer. Das ist wenig: Laut TCS kostet ein aktuelles Durchschnittsauto 71 Rappen pro Kilometer. Und trotzdem blieb Täxeler Erni unter dem Strich nur gerade ein Monatslohn von 2284 Franken. Das ergibt einen Stundenlohn von 11 Franken 80!
DUMPING. Die Messung fand im Februar 2020 statt, also vor Ausbruch der Coronakrise. Seither sind die Umsätze von Taxifahrerinnen und Uber-Fahrern massiv eingebrochen. (Grafik: work)
«DA ZAHLE ICH DRAUF»
Das ist eindeutig zu wenig. Vor der Coronakrise habe er als Taxifahrer zwischen 2500 und 4000 Franken im Monat verdient. Für Erni ist drum klar: «Uber beutet die Fahrer nach Strich und Faden aus.» Und er sagt auch, wie. Etwa durch das Vermitteln von Fahrten, die sich nicht lohnen. Einmal habe ihn die App zu einem Fahrgast im hintersten Winkel eines Dorfes in der Agglomeration geschickt. Erni: «Wohin ein Gast gefahren werden möchte, erfährt man bei Uber erst, wenn dieser einsteigt. Und der wollte nur zum Bahnhof. Im gleichen Dorf.» Das kostete ihn den Uber-Mindestpreis von 6 Franken, Erni erhielt davon 4 Franken 56. Er sagt: «Dafür bin ich fünf Kilometer hingefahren und musste dann wieder leer in die Stadt zurück. Da zahlt der Fahrer drauf, anstatt etwas zu verdienen.»
Zwar kann er als Fahrer auch Aufträge ablehnen. Aber dann muss er damit rechnen, dass die App ihn für weitere Aufträge sperrt. Volles Risiko für Erni, garantierter Profit für Uber.
Auch in einem anderen Fall, den Erni bei seinem Undercover-Einsatz erlebt hat: «Ich traf am Abholort ein und meldete das dem Fahrgast via App. Der schrieb zurück, er komme gleich.»
Aber nichts passiert. Nach zwei Minuten schreibt der Gast erneut: «Warten Sie noch, ich komme.» «Ok!» schreibt Erni zurück. Und wartet. «Nach nochmals fünf Minuten erschien die Mitteilung auf der App: Kunde hat die Fahrt storniert.» Erni bekam von Uber eine Vergütung von gerade mal 5 Franken 50. Als Entschädigung für die Anfahrt und Wartezeit sei dies in keinem Fall ausreichend, sagt er.
VERSCHWUNDENE KUNDEN
Oder die Kundschaft verschwindet einfach. Mehrmals habe Taxifahrer Erni erlebt, dass die App ihn zu einem Treffpunkt lotste, und bei Ankunft fehlte von der Person jede Spur. Das Problem, so Erni: «Uber macht es den Leuten zu leicht, einen Auftrag zu stornieren.» In den ersten fünf Minuten ist das kostenlos. Will heissen: Der Fahrer verdient nichts. Ihm bleibt nur den Ärger. Und ein Benzintank, den er schon bald wieder füllen muss. Auf eigene Kosten.
* Name geändert
Coronakrise: Uber führt Fahrer in die Irre
Die Coronakrise trifft Uber-Fahrerinnen und Taxichauffeure gleichermassen brutal. Roman Künzler, Verantwortlicher Transport bei der Unia, weiss es genau: «Sie haben zwischen 80 und 95 Prozent ihres Einkommens verloren.»
DREISTE LÜGE. Ausschnitt aus dem Uber-Schreiben. (Foto: ZVG)
Per E-Mail macht Uber jetzt seinen Fahrerinnen und Fahrern weis, sie hätten Anrecht auf «staatliche Unterstützung». Genauer gesagt, auf den Corona-Erwerbsersatz für Selbständige. Wörtlich schreibt Uber: «Wende dich an deine kantonale Ausgleichskasse, um den Erwerbsersatz zu beantragen.» Doch das ist falsch.
UNSELBSTÄNDIG. Mike Oberholzer von der Ausgleichskasse Basel-Stadt schreibt work auf Nachfrage: «Die AHV betrachtet Uber-Fahrer als Unselbständigerwerbende. Deshalb erhalten sie keine Corona-Entschädigung.» Gleich antworten die Ausgleichskassen von Bern und Zürich.
Schon 2016 entschied die Suva, dass das Fahren für Uber eine unselbständige Tätigkeit sei. Seither haben mehrere Gerichte dies bestätigt. Doch weil Uber alle Urteile weiterzieht, ist die Frage immer noch nicht rechtskräftig geklärt.
Unia-Mann Künzler kritisiert den Dumping-Fahrdienst: «Uber weiss genau, dass die Ausgleichskassen den Fahrerinnen und Fahrern keine Entschädigung auszahlen werden. Einmal mehr führt der Konzern seine Mitarbeitenden bewusst in die Irre.»
Als von der Krise Betroffene hätten die Uber-Fahrer allerdings Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung. Aber nur, wenn Uber diese beantrage. Künzler hat den Konzern im Namen der bei der Unia organisierten Uber-Mitarbeitenden aufgefordert, genau dies zu tun. Mit einem eingeschriebenen Brief. Uber hat darauf bisher jedoch nicht reagiert.