Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
Max Küng, der eigensinnige Kolumnist, schrieb kürzlich im «Magazin» über seinen Paketpöstler heute und in jener früheren Zeit vor dem Lockdown (ijfZvdL). In jener fernen Zeit vor dem Lockdown habe er den Paketboten nicht einmal gekannt, nun erwarte er ihn täglich freudig. So, als wäre immer Weihnachten. Ausser, dass der Paketempfänger den Inhalt des Pakets im Prinzip kennt.
Der Päckliträger erhält wieder eine soziale Bedeutung.
TEIL DER FAMILIE. Der Päckliträger erhält wieder eine soziale Bedeutung, das wird im Text klar. Sein Erscheinen wird erhofft, ersehnt. Er wurde «Teil der Familie». Fast wie früher vor der Tempo-Teufel-Zeit (TTZ) und Zeit-ist-Geld-Zeit (ZiGZ). Damals, als die Briefträger und die wenigen Briefträgerinnen manchmal auf ihren Touren Kommissionen besorgten, beim Zügeln anpackten, mit Kindern spielten oder sogar beim Heuen halfen. Statt mit gesenkten Köpfen eilends ihr Tagewerk zu verrichten. IjfZvdL hatten sie dann nur noch selten Kontakte mit der «Kundschaft», zumal diese gerade in der Stadt sowieso meist nicht zu Hause war, seit einiger Zeit keine Geldauszahlungen an der Haustür mehr stattfinden und die Eingeschriebenen immer öfter ohne physische Unterschrift im Kasten landen. Doch in dieser gegenwärtigen Zeit mit Corona (dgZmC) sieht einiges wieder anders aus: Zwar gibt es Distanzvorschriften, zwar unterschreibt das Zustellpersonal in Anwesenheit und mit dem Einverständnis der Empfängerinnen und Empfänger selber auf dem Scanner («kb, corona»), doch öffnen sich weit öfter als ijfZvdL nach dem doppelten Läuten die Türen und finden kleine Gespräche statt.
Ob aber das Erscheinen der Briefträgerinnen und Briefträger je ähnliche Glücksgefühle auslösen wird wie bei Max Küng der Anblick des Paketboten, ist fraglich. Zwar werden sie in Zukunft vermehrt auch Pakete zustellen. Doch der Inhalt der Briefpost ist meist bekannt. «Rechnungen!» Auch die Eingeschriebenen werden wegen dgZmC in Zukunft noch seltener frohe Botschaften enthalten als heute. Gründe genug, wieder einmal einen richtigen, persönlichen Brief zu schreiben.