Josi Meier sass als eine der ersten Frauen im Parlament. Und machte dort den Männern Beine.
ABTRETEN! Obwohl sie nach einer Kropfoperation nur noch eine Fistelstimme hatte, wusste die Luzerner CVP-Nationalrätin Josi Meier sich kraftvoll Gehör zu verschaffen. (Foto: Keystone)
Die Luzerner CVP-Politikerin Josi Meier ist 1971 unter den ersten elf Frauen, die ins eidgenössische Parlament einziehen. Nur Wochen vorher musste sie sich einer Kropfoperation unterziehen. Sie, die im Aktivdienst als Armee-Feldweibel des Frauenhilfsdiensts (FHD) 300 Meter weit brüllen konnte, hatte jetzt für den Rest ihres Lebens nur noch eine Fistelstimme. Aber auch mit dieser bringt sie die Ohren ihrer Parlamentskollegen zum Läuten.
Josi Meier wird 1926 in Dagmersellen LU als Tochter der Josi und des Niklaus Meier in ärmliche Verhältnisse geboren. Der Vater ist Hausabwart, die Mutter arbeitete bis zur Hochzeit als «Saaltochter». Josi aber, Josephine Johanna mit vollem Namen, kann aufs Gymnasium gehen und studieren. Dafür ist sie ihren Eltern dankbar. Aber, so stellt sie später fest, sie habe ihre Mutter als Kind gehasst, weil diese beinhart mit ihr war. Die Mutter habe nur gemacht, was ihr richtig erschien. Bei aller Ambivalenz ist diese ein Vorbild für die Politikerin Josi Meier: «Andere leisten sich eine Jacht oder ein Pferd. Ich leiste mir eine eigene Meinung, das ist in etwa gleich teuer.»
Im Aktivdienst konnte sie 300 Meter weit brüllen.
GEGEN BLOCHER
Als in den 1970er Jahren eine junge Frau die Anwältin Josi Meier um Rat fragt, ob sie auch Jus studieren solle, antwortet diese: «Das Leben lang heulende Frauen vertreten, für die man die Scheidung durchfechten muss? Lassen Sie das lieber bleiben!» Kein Wunder, kämpft die ledige Politikerin für ein frauenfreundlicheres Eherecht – gegen Christoph Blocher. Es ist nicht das einzige Mal, dass Meier gegen den SVP-Patriarchen antritt. Sie ist 2003 im höchsten Mass erbittert über das Taktieren der CVP-Fraktion, das zur Abwahl von CVP-Bundesrätin Ruth Metzler führt. Und zur Wahl von Christoph Blocher in den Bundesrat. Meiers Kommentar: «Eine Gerontokratie herrscht jetzt in Bern. Und: Blocher habe sich die Schweiz gekauft.
Ihrer CVP tritt Meier immer wieder auf die Füsse, wenn es ihr richtig erscheint. Das C stehe für Mitmenschlichkeit und Solidarität, nicht für Machtkalkül und Opportunismus, meinte sie etwa. Ihr politisches Engagement liest sich denn auch wie ein Gegenentwurf zu den CVP-Parteistrategen: Kampf für die Mutterschaftsversicherung, für die Gleichstellungsinitiative, für den Beitritt der Schweiz zur Uno und gegen die Verschärfung des Asylrechts. So täuschend bieder Josi Meiers Erscheinungsbild war, meistens im Deux-pièces mit Perlenkette, so kraftvoll war ihre Attacke auf die rückwärtsgewandte Schweiz. Eben der Feldweibel. Plus scharfzüngiger Humor. In einer Parteiversammlung, wo es um Verhütung ging und den Umgang der Kirche mit der Pille, soll ein junger CVPler Meier provokativ gefragt haben: «Josi, jetzt mal ganz ehrlich, nimmst du denn die Pille?» Sie habe ihn gemustert und dann gesagt: «Lieber Freund, wir klären das dann, wenn wir so weit sind.»
A WONDERFUL WORLD
Die CVP-Männer sind gestresst, wann immer ein Auftritt von ihr droht: «Sie bringt immer en Charre voll Wyber mit!» jammerte etwa ein Parteikollege. Und «Meiers Weiber» ziehen anschliessend Bilanz in «Josis Küchenkabinett», wie sie es nennen. Manöverkritik bei Tee und Kuchen.
Nach 24 Jahren Parlamentsarbeit zieht sich Josi Meier 1995 aus der Politik zurück. Die folgenden Jahre sind geprägt von Krankheit: Schilddrüsenkrebs, Luftröhrenschnitt, Leukämie. 2006 stirbt sie. Auf ihren Wunsch spielt man an der Abdankung: «It’s a wonderful world» von Louis Armstrong.
Bis zum Ende bleibt Josi Meier umwerfend offenherzig: «Den Tod fürchte ich nicht», sagt sie einmal: «aber das Sterben. Ich fürchte, ich werde eine lamentable Figur abgeben. Ich bin keine Heldin.» Doch genau das war sie für ganz viele Frauen, denen man das Stimmrecht so lange vorenthielt.
work-Serie: Stimmrechtsfrauen
Am 7. Februar 2021 wird das nationale Stimm- und Wahlrecht der Frauen in der Schweiz 50jährig. Bis dann wird Gewerkschafterin und Historikerin Dore Heim die unerschrockensten und wichtigsten «Frauenrechtlerinnen» in einer work-Serie porträtieren. Bisher gewürdigt wurden: Katharina Zenhäusern, die als erste Schweizerin abstimmen ging. Und Iris von Roten, eine der radikalsten Denkerinnen der Sache der Frauen. Und Emilie Lieberherr, «Animal politique» wie keine andere Politikerin in der Schweiz. Alle Teile der Serie gibt es hier.
Dass sich diese widerliche Unia jetzt noch so eine eigenständige, intelligente und willensstarke Frau an die Fahnenstange zu binden versucht, ist schon sehr unappetitlich.