Jean Ziegler
Daniel Thelesklaf ist ein Mann der klaren Worte. In seinem Bankermilieu ist das eher selten. Er sagt: «Unsere Verteidigung gegen die Geldwäscherei ist ineffizient» (Tribune de Genève, 22. 9. 2020). Geldwäscherei ist die Mutter aller Verbrechen. Wenn es einem Drogenbaron oder einem korrupten Staatspräsidenten gelingt, bei einer Schweizer Bank ein Konto zu eröffnen, kann er seine gestohlenen Millionen legalisieren und damit nutzbar machen.
Der Finanzplatz darf nicht Verbrecherkartellen als
internationale Finanzdrehscheibe dienen.
WIRKUNGSLOSES GESETZ. Thelesklaf ist ein international renommierter Experte für Geldwäscherei. Im August letzten Jahres übernahm er die Leitung der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS), einer Behörde, die im Bundesamt für Justiz angesiedelt ist. Gemäss dem Geldwäschereigesetz von 1996 müssen alle Banken und Finanzdienstleister dieser Behörde Klienten melden, die sie der Geldwäsche verdächtigen. Die MROS prüft den Verdacht und überweist das Dossier gegebenenfalls den Strafverfolgern.
Aber das System funktioniert nicht. Nach weniger als einem Jahr im Amt trat Thelesklaf wieder zurück. Sein Frust ist verständlich.
Die letzten gesicherten Zahlen datieren von 2015. In jenem Jahr konfiszierte die Justiz 190 Millionen Franken. Im gleichen Jahr jedoch meldeten die Banken und Finanzinstitute der Meldestelle verdächtige Gelder in Höhe von 4,8 Milliarden Franken. Die Schweiz beschlagnahmte also lediglich einen lächerlich geringen Teil der mutmasslich kriminellen Gelder.
Die Geldwäschereibehörde der OECD, der Organisation der Industriestaaten, der auch unser Land angehört, macht seit langem massiven Druck auf Bern. Sie verlangt ein neues Schweizer Gesetz zur Bekämpfung der Geldwäscherei. Finanzminister Ueli Maurer knickte ein: Im April 2018 schickte er sein neues Gesetz in die Vernehmlassung. Dann begann eine ziemlich skurrile Komödie im Parlament. Als Erstrat weigerte sich der Nationalrat, auf die Vorlage auch nur einzutreten. Die Mehrheit meinte, man solle sich keinem ausländischen Druck beugen. Der Ständerat agierte subtiler. Er trat ein, bekämpfte jedoch erfolgreich alle Verschärfungen im neuen Gesetzesvorschlag. Schliesslich kam das Gesetz in der jetzigen Herbstsession zurück in den Nationalrat und wurde dort vorläufig begraben.
MILLIONEN FÜR ANWÄLTE. Im Zentrum der Debatte stehen die Anwälte. Nach Meinung der OECD und des Bundesrates sollen Anwältinnen und Anwälte, die als «Beraterinnen und Berater» tätig sind, neu dem Gesetz unterstellt werden. Mit gutem Grund:
Denn sie sind es, die eine überwiegende Zahl der bei den Ganoven äusserst beliebten Offshore-Gesellschaften in der Karibik fabrizieren. Diese Konstrukte garantieren den Besitzern totale Anonymität. Dafür zahlen sie den Anwälten Honorare in sechsstelliger Höhe.
Im Bundeshaus kämpften zwei Genfer Nationalräte – Christian Lüscher (FDP) und Vincent Maitre (CVP) – wie die Verrückten gegen das Gesetz. Ihr Argument: Das Berufsgeheimnis des Anwalts verbiete jede Auskunftspflicht.
Die Schweiz ist eine Demokratie. Der Finanzplatz darf nicht weiterhin Verbrecherkartellen als internationale Finanzdrehscheibe dienen. Der Druck der öffentlichen Meinung ist nötig, damit das Parlament einem schärferen Geldwäschereigesetz endlich zustimmt.
Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein neustes Buch ist: Die Schande Europas. Von Flüchtlingen und Menschenrechten.
„Daniel Thelesklaf ist ein Mann der klaren Worte. In seinem Bankermilieu ist das eher selten.“ Wenn stimmen würde, was Genosse Ziegler hier zusammenspintisiert, gäbe es nur eher selten gute Banker.