Krankenkasse: So funktioniert die Prämienverbilligung

Unter den hohen Prämien leiden besonders Menschen mit bescheidenem Einkommen. Für sie hat der Bund die Prämienverbilligung geschaffen. Zuständig sind aber die Kantone, und die kochen alle ihr eigenes Süppchen.

Seit 1996 gilt in der Schweiz das Krankenversicherungsgesetz. Ach, was wurde uns damals alles versprochen! Eine qualitativ hochstehende medizinische Versorgung bei massvoller Kostenentwicklung. Ausserdem mehr Solidarität zwischen Kranken und Gesunden, Armen und Reichen …

Seither ist die mittlere Jahresprämie mit 300 Franken Franchise von 1525 auf 4447 Franken im Jahr 2019 gestiegen (plus 192 Prozent). Die Löhne kletterten im gleichen Zeitraum gerade mal um 27 Prozent. Klar, dass der Prämienanstieg die tiefen Einkommen ungleich härter trifft als die hohen. Ein kinderloses Paar, das 1996 ein Jahreseinkommen von 60 000 Franken erzielte, musste 5 Lohnprozente für die Krankenkassenprämie aufwenden. Heute, bei 76 000 Franken Jahresverdienst (60’000 Franken plus 27 Prozent), sind es bereits 11,7 Prozent. Wer doppelt so viel verdient, gab für die gleiche Prämie 1996 nur 2,5 Lohnprozente aus, aktuell sind es 5,8 Prozent.

KANTONE AUF DER BREMSE

Um den Anspruch auf Solidarität zwischen Armen und Reichen einzulösen, hätte es im neuen Gesetz eine einkommensabhängige Prämie gebraucht. Doch die rechte Mehrheit legte sich damals quer und schuf stattdessen die «Prä­mienverbilligung durch Beiträge der öffentlichen Hand». Das Gesetz verpflichtet demnach die ­Kantone, sich bei Versicherten mit bescheidenen Einkommen an den Kosten der Prämien zu beteiligen.

An die Gesamtkosten dieser individuellen Prämienverbilligung (IPV) steuert der Bund 7,5 Prozent der Gesamtkosten der obligatorischen Krankenversicherung bei. Sein Beitrag wächst also mit den steigenden Prämien mit. Die Kantone jedoch haben einen grossen Spielraum bei der Wahl des Verfahrens, ebenso wie bei der Fest­legung der Einkommensgrenzen und der Kriterien, die zur Prä­mienverbilligung berechtigen. Sie können selber bestimmen, wie das Einkommen berechnet wird und wie hoch die Verbilligung bei ­Erwachsenen ausfällt.

Diesen Spielraum nutzten in den vergangenen Jahren viele, um auf dem Buckel von unteren und mittleren Einkommen zu sparen. Im Kanton Luzern stoppte das Bundesgericht 2019 eine besonders unverfrorene Kürzung der Leistungen, seither haben auch andere Kantone nachgebessert – mindestens so weit, dass sie nun dem Bundesgerichtsurteil gerade mal Genüge tun. Nach wie vor kann es aber gut sein, dass Ver­sicherte nach dem Umzug in einen anderen Kanton plötzlich keine Verbilligung mehr oder eine tiefere erhalten – und umgekehrt.

Nur bei Kindern und jungen Erwachsenen ist der Beitrag fix geregelt.

WAS FÜR ALLE GILT

Das Krankenversicherungsgesetz enthält nur wenige feste Regeln für die Prämienverbilligung. Ein Anrecht haben Wenigverdiener – ob sie Schweizer Bürger, niedergelassen oder Grenzgängerinnen aus der EU sind. Bei unteren und mittleren Einkommen müssen die Prämien der Kinder um mindestens 80 Prozent, jene von jungen Erwachsenen in Ausbildung um mindestens 50 Prozent verbilligt werden. Zudem sind die Kantone verpflichtet, ihre Bevölkerung regelmässig über das Recht auf Prämienverbilligung zu informieren. Wie diese Information erfolgt, liegt im Gutdünken der Kantone.

VIEL BÜROKRATIE

Die Verfahren der Kantone unterscheiden sich beträchtlich (siehe Tabelle). Nur die Kantone AI, BE, UR und VS berechnen von Amtes wegen aufgrund der Steuerdaten des Vor- oder Vorvorjahres, wer eine Verbilligung zugute hat, teilen dies den Berechtigten mit und lösen die Zahlung der Verbilligung an die Krankenkasse selber aus. Die meisten anderen Kantone berechnen zwar von sich aus die Ansprüche der Versicherten, stellen ihnen dann aber einen Antrag zu, den sie ausgefüllt einsenden müssen, um die Zahlung der Verbilligung auszulösen. Eine Schlaumeierei, die sich auszahlt: Eine ­Umfrage des Newsportals Watson bei vier Kantonen ergab 2017, dass von den ­Anträgen, die an Anspruchsberechtigte verschickt wurden, nur 77 Prozent retourniert wurden.

In den Kantonen BS, GR und LU muss gar selber aktiv werden, wer die Verbilligung erstmals beanspruchen will – mangelndes Wissen und Verstehen der Versicherten nutzen diese Kantone aus, um sich um Zahlungspflichten zu ­drücken.

DIE WICHTIGSTEN TIPPS

  • Machen Sie sich schlau, welche Regeln in Ihrem Kanton gelten (siehe Links in der Tabelle). Auch nach einem Umzug in einen anderen Kanton sollten Sie sich sofort über seine Regeln informieren und die Verbilligung neu beantragen. Bei einem Wechsel unterm Jahr ist der neue Wohnkanton erst im neuem Jahr für die Verbilligung zuständig.
  • Melden Sie sich bei der zuständigen Amtsstelle, wenn Sie glauben, anspruchsberechtigt zu sein, oder füllen Sie gleich einen Antrag aus. Wenn Sie nicht automatisch ein Antragsformular erhalten haben, heisst das noch nicht, dass Sie keine Ansprüche haben.
  • Manche Kantone stellen ein Online-Tool zur Verfügung, mit dem Sie prüfen können, ob Sie eine Verbilligung zugute hätten (siehe Tabelle). Nutzen Sie es!
  • Erhalten Sie eine Benachrichtigung, halten Sie sich unbedingt an die in Ihrem Kanton geltenden Fristen zur Einreichung des Antrags. Überschreiten Sie die Frist, ist Ihr Anspruch für das betreffende Jahr verwirkt. Rückwirkende Verbilligungen sind danach nur in wenigen Fällen (etwa bei Geburt ­eines Kindes) möglich.

Die Initiative: Maximal 10 Prozent!

Seit Einführung des Krankenversicherungsgesetzes 1996 sind die Prämien massiv ­gestiegen. Viele Kantone schmürzelen bei der Berechnung der Prämienverbilligung und gestalten das Antrags­verfahren schikanös. Untere und mittlere Einkommen werden deshalb durch die Prä­mien viel stärker als zumutbar belastet: Je nach Haushaltsgrösse und Kanton kostet sie die Krankenversicherung bis zu 24 Prozent des verfügbaren Einkommens – trotz Prämienverbilligung!

ENTLASTUNG. Die SP Schweiz hat deshalb im Januar dieses ­Jahres die Prämienentlastungsinitiative eingereicht. Sie fordert, dass kein Haushalt mehr als 10 Prozent des verfügbaren Einkommens für Prämien aufwenden muss. Und die Prämienverbilligung soll in allen Kantonen nach gleichen Regeln zugesprochen werden. «Dann wäre Schluss mit dem unmöglichen Flickenteppich, wie wir ihn heute haben», sagt SP-Nationalrätin und Gesundheitspolitikerin Barbara Gysi. Bereits hat der Bundesrat ­einen indirekten Gegenvorschlag in Aussicht gestellt, der zu wenig zusätzliche Mittel ­bereitstellt und zu viel beim ­Alten beliesse. «Ungenügend», ­urteilt Gysi. Sie stellt sich auf ein hartes Ringen im ­Parlament ein.

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Krankenkasse: Ein Spartipp, der Ihre Risikobereitschaft voraussetztMit der höchsten  Franchise sparen Sie Geld – solange Sie nicht ernsthaft krank werden

Erhöhen Sie bei Ihrer Krankenversicherung die Franchise, sparen Sie Prämien. Dafür müssen Sie im Krankheitsfall Mehrkosten einrecnen.

(Grafik: work / Foto: iStock)

Werden Sie nächstes Jahr krank? Müssen Sie vielleicht sogar operiert werden? Dumme Frage – in den meisten Fällen sind Krankheitsfälle und Gesundheitskosten nicht voraussehbar. Dennoch stehen Sie alle Jahre wieder vor dem Entscheid, ob Sie die Höhe Ihrer Franchise verändern möchten.

Die Franchise sagt aus, bis zu welchem Betrag Sie die Arzt-, Spital- und Medikamentenkosten eines Jahres selber bezahlen müssen, bevor die Krankenkasse die Kosten übernimmt – abzüglich eines Selbstbehalts, der 10 Prozent beträgt, aber höchstens 700 Franken pro Jahr.

Die Franchise beträgt nach Gesetz mindestens 300 Franken, Sie können sie aber in Stufen bis zum Maximalbetrag von 2500 Franken erhöhen. Dafür erhalten Sie einen Rabatt auf Ihre Prämie, für den das Gesetz einen Höchstbetrag festgelegt hat (siehe Tabelle).

Auf den ersten Blick ist der Fall klar: Erhöhen Sie per Anfang des nächsten Jahres Ihre Franchise auf den Maximalbetrag von 2500 Franken, sinkt Ihre Prämie um bis zu 1540 Franken im Jahr. Ein schöner Batzen! Müssen Sie nächstes Jahr zwei-, dreimal zur Ärztin und brauchen ein paar Medikamente, kostet Sie das vielleicht 600 Franken. Die bezahlen Sie zwar zu 100 Prozent selbst, fahren aber immer noch günstiger: Mit der tiefsten Franchise hätten Sie bis zu 1540 Franken mehr Prämie bezahlt, und die Krankenkasse hätte Ihnen nur 270 Franken überwiesen (600 Franken minus 300 Franken Franchise minus 10 Prozent Selbstbehalt auf den weiteren 300 Franken).

Mit der höchsten Franchise sparen Sie bis zu 1540 Franken.

JÄHRLICH NEU WÄHLEN. Schlechter sieht es allerdings aus, wenn beispielsweise ein Spitalaufenthalt mit Operation oder teure Medikamente nötig werden und Sie sich mit der gesamten Jahresfranchise und dem maximalen Selbstbehalt an den Kosten beteiligen müssen: Dann ist die ganze Prämienersparnis futsch – sie bezahlen sogar 660 Franken mehr als eine Person, welche die tiefste Franchise gewählt hat.

Die Franchisenwahl ist also mit einer Sparchance, aber auch mit einem Kostenrisiko verbunden. Immerhin: Sie können jedes Jahr neu abschätzen, wie es sich aufgrund Ihres Gesundheitszustands mit den Chancen und Risiken verhält, und dann entscheiden, welche Franchise nächstes Jahr für Sie die richtige ist.

Ihren Entscheid müssen Sie der Krankenkasse bis spätestens 30. November schriftlich bekanntgeben, falls Sie die Senkung der Franchise wünschen. Für die Mitteilung, dass Sie die Franchise erhöhen möchten, haben Sie sogar bis zum 31. Dezember Zeit.

Franchise und Prämienverbilligung: Kein Einfluss

Beziehen Sie eine Prä­mienverbilligung (siehe Beitrag oben), aber ­keine Ergänzungsleistungen oder Sozialhilfe? Auch dann sind Sie frei in der Wahl Ihrer Franchise. Denn die Berechnung der Verbilligung ­erfolgt auf Basis von ­Referenzprämien und ist unabhängig von der ­effektiven Prämienhöhe.

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