Hans Baumann ist Ökonom und Publizist.
2015 lehnte die Stimmbevölkerung die Initiative für eine Erbschaftssteuer deutlich ab. Diese Initiative hätte Erbschaften von über zwei Millionen Franken besteuern wollen. Sie hätte nur rund fünf Prozent der reichsten Vererbenden betroffen. Immer grössere Vermögen sind in den letzten Jahrzehnten vererbt worden, zurzeit dürften es pro Jahr über 100 Milliarden Franken sein.
(Quelle: R. Fluder, R. Farys: Vermögende profitieren besonders von Erbschaften, Moneta Nr. 1, 2020. Foto: SNB)
ARME BLUTEN. Eine Untersuchung der Steuerdaten des Kantons Bern zeigt, dass diese riesige Summe sehr ungleich verteilt wird. Zwei Drittel des Volumens aller Erbschaften gehen nämlich an nur 10 Prozent der Begünstigten. Allein das oberste Prozent erhält über einen Drittel des Geldsegens. In den allermeisten Fällen handelt es sich dabei um Erbinnen und Erben, die ohnehin schon zu den Begüterten gehören. Auf der anderen Seite erhält die untere Hälfte der Begünstigten nur rund fünf Prozent des gesamten Erbschaftsvolumens.
Während die Erbschaftssteuer für Reiche damals wegen massiven Sperrfeuers und Falschinformationen der Bürgerlichen abgelehnt wurde, wird jetzt ohne grosses Aufsehen eine Art Erbschaftssteuer für Arme eingeführt. Die im Moment rund 340’000 Rentnerinnen und Rentner, die eine Ergänzungsleistung zur AHV (EL) bekommen, gehören zu jener Bevölkerungsgruppe, die über wenig Einkommen und Vermögen verfügen. Bei ihnen will man jetzt sparen, indem der Freibetrag beim Vermögen herabgesetzt und eine Vermögensobergrenze eingeführt wird. Auch «übermässiger» Verzehr von Vermögen oder Schenkungen vor dem Pensionsalter werden angerechnet. Das wird dazu führen, dass diese Menschen ihr meist bescheidenes Vermögen fast ganz aufbrauchen müssen, bevor sie etwas vererben können. Bekommen die Erbenden trotzdem noch mehr als 40’000 Franken, müssen sie damit die EL-Beiträge zurückerstatten! Dies wird die Ungleichheit bei den Erbschaften und den Vermögen in der Schweiz noch verstärken.
Die Erbschaftssteuerinitiative hatte damals vorgesehen, dass zwei Drittel der Erträge der AHV zugute kommen. Davon hätte die AHV-Kasse ungleich mehr profitiert als durch die Ersparnisse, die man sich durch diese Reform auf Kosten der EL-Beziehenden und ihrer Nachkommen verspricht.