Stur wie eine Eselin
Die Wahrheit ist ja bekanntlich ein stark umworbenes, kostbares Gut. Und sieht je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich aus.
Die Walliser Zeitung «Le Nouvelliste» hat derzeit etwa doppelt so viele Todesanzeigen wie gewöhnlich. Jeden Tag. Statt einer oder anderthalb Seiten deren drei bis vier. Längst nicht in allen Trauerschreiben steht der Grund für dieses ungebremste Sterben. Doch es hat einen Namen: Corona. Das Wallis ist immer noch trauriger Weltmeister bei den Corona-Infektionen. Der Südkanton liegt, pro 100’000 Bewohnerinnen und Bewohner berechnet, sogar noch vor den USA. Auch bei den Toten. Am 27. Oktober erreichte der Kanton den Peak: dramatische 888 neue Infektionen an einem Tag! Die Regierung zog die Notbremse und verordnete schärfere Schutzmassnahmen. Inzwischen ist die Covid-Kurve massiv abgesunken. Und zeigt: Wer will, kann Corona in den Griff bekommen. Doch die Üsserschwiiz kann das offenbar nicht.
Wir sind ein Corona-Sonderfall.
ZU FRÜH FROHLOCKT. Noch im Mai frohlockte Gesundheitsminister Alain Berset: «Wir können jetzt Corona!» Zu früh frohlockt: In der zweiten Welle können wir Corona schlechter als (fast) alle Länder ringsum. Wir sind inzwischen wirklich ein Sonderfall. Ein Corona-Sonderfall! Unsere Nachbarn greifen durch, obwohl sie weit weniger vom Virus heimgesucht sind als die Schweiz (Seite 5). Allen voran Österreich. Dort hat Bundeskanzler Sebastian Kurz kurzentschlossen wieder Lockdown angeordnet. Weil die Intensivbetten schon zur Hälfte ausgelastet seien. In 13 Schweizer Kantonen sind sie dies schon längst. Aber zu über 80 Prozent! 60 Ökonominnen und Ökonomen raten dem zerstrittenen Bundesrat jetzt, endlich durchzugreifen. Mit einer Kombination von hartem Lockdown und korrekter Entschädigung für alle Betroffenen. Weil sich das gesundheitlich und ökonomisch am besten bewähre. Selbst der rechtsnationalistische Kanzler Kurz hat offenbar begriffen, dass man eine Pandemie nicht mit marktgläubiger Ideologie bekämpfen kann.
DURCHBRUCH. Immerhin einen Lichtblick gibt es. Immerhin erreicht uns jetzt Hoffnungsvolles von der Impfstoff-Front. Nach Biontech/Pfizer vermeldet auch die US-Firma Moderna, die ihr Vakzin auch bei der Lonza in Visp produzieren will, einen überraschend schnellen Durchbruch: Ihre Impfstoffe schützten zuverlässig, seien verträglich, und die Produktion könne anlaufen. Noch sind das Informationen von Firmen, die eine Goldgrube wittern. Doch faszinierend ist das schon, was plötzlich möglich ist, wenn’s wirklich brennt, wie unsere Technologie-Politik-Rubrik «Rosa Zukunft» freudig zu berichten weiss.