Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
«Einfach mit System» – so lautete die letzte Post-Parole. Sie geistert noch durch die gelben Internetseiten. Die Briefträgerin erinnert sich: Wir sollten sie auswendig lernen für den Fall, dass einmal Besuch aus den obersten Etagen käme und Testfragen stellen würde. Die Teamleitenden bangten jedoch umsonst, es kam nie jemand, um uns abzufragen. Der neue Konzernchef brachte dafür dann ein neues Motto mit: «Post von morgen». Ein Werbefilm verkündet: «Ein Land, das sich bewegt, braucht eine Post, die das auch tut.» Und immer wieder die Begriffe «relevant», «innovativ», «physisch wie digital».
«Ich bin Ihre Briefträgerin. Ich begleite Sie nach Hause!»
FRÜHER UND HEUTE. Kürzlich sass die Briefträgerin mit ein paar Bekannten im koreanischen Restaurant beim Znacht. Das Gespräch kam irgendwann auf die Post. Die Post verbindet bekanntlich, im Werbespruch wie in Wirklichkeit. Als Dienstleisterin will sie alle verbinden, als Arbeitgeberin laut Geschäftsbericht 2019 immerhin 55 915 Mitarbeitende «aus 142 Nationen in mehr als 100 Berufen».
Thema an jenem Abend waren: die gelbe Riesin im allgemeinen, der Briefmengenrückgang und der Paketmengenzuwachs im speziellen. Thema war auch «früher» und «heute». Dass die Nutzniessenden die Briefträgerinnen und Briefträger kaum noch kennen würden, jedenfalls nicht in der Stadt. Dem Zustellpersonal umgekehrt seien viele Nutzniessende wohlbekannt, mindestens aufgrund der Post, die sie erhalten.
PROSIT! Gabi, eine aus der Runde, erzählte: «Ich trinke manchmal gern Alkohol, und da war einmal eine Fête in meinem Quartier am Stadtrand. Es war weit nach Mitternacht, als ich, etwas wacklig, vom Tisch aufstand, um heimzugehen. Da erhob sich eine Frau in der Nähe ebenfalls und sprach mich an: ‹Ich begleite Sie nach Hause. Ich weiss ja, wo Sie wohnen. Ich bin Ihre Briefträgerin!› Sie kam mit mir bis zur Haustür.» – Einfach mit System …
In diesem Sinne Prost! Prosit Neujahr! Auf ein besseres 2021!