Otto’s: Hauptsache gewerkschaftsfeindlich
Maulkorb und Denunziation

Die Billig-Ladenkette Otto’s verbietet den Verkäuferinnen und Verkäufern das Reden mit der Unia. Zum Glück halten sich nicht alle daran.

SCHADENPOSTEN: Direktion segnet Gewerkschaftsverbot ab. (Foto: Keystone)

Eigentlich dürfte Verkäuferin Sandra Roth* gar nichts erzählen. Denn ihr Arbeitgeber, die Billig-Ladenkette Otto’s, hat ihr verboten, mit der Unia zu reden (und somit auch mit work). Und zwar mit Nachdruck! Roth erinnert sich: «Wir mussten alle ein Dokument unterschreiben, in dem das Verbot festgelegt war. Und wenn jemand von der Unia den Laden betritt, sollten wir das den Vorgesetzten melden.»

Das Unterschreiben des Dokuments hätten die Chefs als «obligatorisch» deklariert, sagt Roth: «Es hat sich niemand getraut aufzumucken. Wir haben alle Angst, dass wir sonst die Kündigung bekommen.» Aber offensichtlich war den Verantwortlichen nicht ganz wohl bei der Sache: Die Mitarbeitenden haben bis heute keine Kopie des Dokuments erhalten.

«Die Chefs haben eine Prämie versprochen, wenn Mitarbeitende
Fehler der Kolleginnen melden.»

PROTESTBRIEF

Und tatsächlich: Ein solches Verbot ist rechtswidrig. Denn die Bundesverfassung garantiert das Recht von Arbeitnehmenden, «Vereinigungen zu bilden» – also auch, mit solchen Vereinigungen, zum Beispiel einer Gewerkschaft, zu sprechen. Bei Otto’s komme die gewerkschaftsfeind­liche Haltung von ganz oben, sagt Unia-Detailhandelschefin Anne Rubin: «Den Mitarbeitenden wurde gesagt: Das Verbot sei von der Direktion abgesegnet.» Mit einem Protestbrief im Namen des Verkaufspersonals hat Rubin die Firma nun aufgefordert, dieses sofort zurückzunehmen. Doch bis Redaktionsschluss hat Otto’s weder auf diesen Brief noch auf die Fragen von work geantwortet.

ÜBERWACHUNG

Unia-Frau Rubin weiss von weiteren fragwürdigen Praktiken bei Otto’s. So ermutige die Leitung die Mitarbeitenden, sich gegenseitig zu überwachen und sogar zu denunzieren: ­«Einigen Mitarbeitenden haben die Chefs eine Geldprämie versprochen, wenn sie kleine Fehler der Kolleginnen oder Kollegen melden.» Etwa, wenn jemand eine Zigarette rauchen geht, obwohl er keine Pause hat.

Verkäuferin Roth sagt, sie habe die Nase voll von Otto’s: «Die Chefs behandeln uns wie Idioten.» Ganz zu schweigen von den miesen Löhnen. Nicht einmal 4050 Franken brutto beträgt ihr Lohn, obwohl sie schon viele Jahre für die Billig-Ladenkette arbeitet. Der Lohn einer anderen Verkäuferin beträgt sogar nur 3900 Franken im Monat. Lohnerhöhungen gab’s schon seit Jahren ­nicht mehr.

Otto’s Philosophie: Hauptsache billig

Am Anfang stand eine Katastrophe: 1978 traten nach schweren Unwettern im Tessin mehrere Flüsse über die Ufer, neun Menschen starben. Stark beschädigt wurde auch ein Cash-and-Carry-Markt in Losone. Da witterte der Luzerner Unternehmer und spätere FDP-Nationalrat Otto ­Ineichen seine Chance. Er kaufte sämtliche Lebensmittel auf, mietete in Luzern ein leerstehendes Lokal und verkaufte die Ware mit Gewinn.

JUNIOR-CHEF. Das war der Anfang von «Otto’s Schadenposten», ­später «Otto’s Warenposten», heute nur noch «Otto’s». Aktuell hat das Unternehmen gut 100 Filialen. Chef ist Mark Ineichen Junior. Und noch immer gilt: Hauptsache billig.

1 Kommentare

  1. Peter Bitterli 25. Dezember 2020 um 15:40 Uhr

    Ein grosser Mann, dieser Otto Ineichen. Einer, der nach Niederlagen wieder aufstand. Einer, der über Jahrzehnte viele Arbeitsplätze geschaffen und erhalten hat. Traurig, dass er schon verstorben ist.
    Was will die Unia jetzt dort kaputtschlagen?

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