Jean Ziegler
Grau und tief hing der Himmel über dem Ägäischen Meer. Dichter Nebel umhüllte das nahe türkische Gebirge. Ein Schlauchboot mit 47 Flüchtlingen näherte sich der griechischen Insel Lesbos.
Der britische Kreuzer «Protector» war auf Menschenjagd. Auf hoher See blockierte er das Flüchtlingsboot. Die Matrosen und Kanoniere des Kreuzers standen im Dienst der Frontex (Frontières exterieures), der europäischen Küstenwache.
Sie schossen mit ihren schweren Maschinengewehren rund um das Flüchtlingsboot ins Wasser. Die Einschläge kamen dem Boot immer näher, die Flüchtlinge gerieten in Panik. Da erteilte der Kommandant der «Protector» per Megaphon seinen Befehl: Die Flüchtlinge mussten zurück in die türkischen Territorialgewässer.
Die Frontex liquidiert in der Ägäis das Asylrecht, weil sie Flüchtlinge daran hindert, Asyl zu beantragen.
PUSHBACK. Man nennt diese Operationen «Pushbacks», also «Zurückstossen». Sie sind von der Kommission der Europäischen Union legitimiert. Und sie haben ein einziges Ziel: Die gequälten Menschen sollen daran gehindert werden, die europäische Küste zu erreichen. Häufig kommt es bei den Pushbacks zu Schiffbrüchen und Flüchtlinge ertrinken. Viele Beispiele finden sich in meinem Buch «Die Schande Europas. Von Flüchtlingen und Menschenrechten».
Die Pushbacks sind ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 begründet das Recht auf Asyl. Wer in seinem Heimatland verfolgt wird, hat das Recht, eine Grenze zu überschreiten und in einem anderen Land um Aufnahme und Schutz nachzusuchen. Die EU-Kommissionspräsidentin Präsidentin Ursula von der Leyen sieht in den Flüchtlingen jedoch eine Gefahr für die «europäische Lebensweise». Deshalb die Pushbacks, die das Asylrecht liquidieren, weil sie verfolgte Menschen daran hindern, überhaupt ein Asylgesuch zu deponieren.
Jahrelang versuchten zivilgesellschaftliche Bewegungen die Frontex-Verbrechen publik zu machen. Umsonst. Jetzt geschieht ein Wunder!
WUNDER IM EU-PARLAMENT. In der ersten Dezemberwoche wurde der französische Frontex-Direktor Fabrice Leggeri von einer Subkommission des EU-Parlaments angehört. Das Parlament will die mörderische Pushback-Praxis sofort verbieten. Ob es sich allerdings gegen die EU-Kommission und ihre Präsidentin durchsetzen kann, ist zweifelhaft.
Auch die Schweiz ist Mitglied von Frontex. Sie sitzt im Verwaltungsrat und mit unserem Steuergeld beteiligt sie sich an der Finanzierung der Organisation. Stefan Israel, der ausgezeichnete Brüsseler Korrespondent des «Tagesanzeigers», hat die zuständige Zollverwaltung in Bern zur Vertreibung der Flüchtlinge befragt (2. 12.). Die Antwort: Die Schweiz bestehe auf dem Respekt der Menschenrechte und bedaure eventuelle Opfer. Eine völlig ungenügende Antwort!
Das Parlament in Bern sollte sofort die Beiträge an Frontex aussetzen, bis die Pushbacks gestoppt werden. Geschieht das nicht, muss unser Land diese Organisation unverzüglich verlassen.
Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Sein neustes Buch ist: Die Schande Europas. Von Flüchtlingen und Menschenrechten.
Danke, Frontex!
How hypocritical can someone be?
On 7th December 2020 President Ursula von der Leyen said the following:
Human rights must be respected everywhere.
We need to be able to act against those who violate them. I welcome the adoption of the EU Global Human Rights Sanction Regime.
It sends a clear message: Those who abuse[s] and violate basic human rights will be held responsible
Hypocrisy unlimited
These are fine words but full of nothing other than hypocrisy. Ursula von der Leyen must be aware of the pushbacks carried out by Frontex and the Greek Coast Guard even after migrants have landed. She must know of the conditions in the camps on the Greek islands. She must know that the denials of Frontex, the Greek Coast Guard and the Greek government are untrue. Not only does she do nothing, but also she praises the Greek authorities as „the shield of Europe.“
„Those who abuse and violate basic human rights will be held responsible“ – yes, but when? She should start now with the above mentioned entities and not forget to include herself in the first group of accused.
What is Yval Johansson, politically responsible for Frontex, doing? In an interview, she said she is waiting for reports from Frontex and the Greek government. Instead of waiting for Godot, she should look at her feet where the ground is littered with all the evidence she needs to act, should she want to: Amnesty International, Aegean Boat Report, „Guardian“, „Spiegel“, ARD „Monitor“ and many more.
Events between Italy, Malta and Libya are no better. Countries preventing rescue ships from sailing will, we hope, some time soon face the day of reckoning.
EU, Europe, where are your humanity and your commitment to Human Rights?
EU Commission and EU Parliament: What are YOU doing about all this?
What exactly is your job? Out of which sofa did you creep to tell the world about your exquisite moral standarts?