Andreas Rieger
Die deutschen Gewerkschaften konnten am 1. Januar feiern: Ein neues Gesetz legt ab sofort den Dumpingsumpf der Fleischindustrie trocken. Ihr Geschäftsmodell war einfach: Ganze Abteilungen der Fabriken wurden an Subunternehmen übergeben und damit auch alle Verantwortung. Die Subunternehmen wiederum engagierten Billigstarbeiter aus dem Osten als Entsandte, Scheinselbständige, Temporäre. Sie vermieteten ihnen zu horrenden Preisen miserable Unterkünfte und hielten sie mit Blockwarten unter Kontrolle. Mit diesem System konnten die Arbeitskosten massiv gedrückt werden, sie betragen noch halb so viel wie bei der dänischen Konkurrenz. Dieses Schweinesystem machte auch den deutschen Unternehmer Clemens Tönnies grösser und grösser und schliesslich zum Fleischkönig. Er beschäftigt 16 000 Arbeitende. Gegen 100 000 Beschäftigte zählt die deutsche Fleischindustrie insgesamt. Mit Billigfleisch überschwemmt sie Belgien, Holland, Dänemark und erdrückt deren Fleischwirtschaft.
Wenn das Deutschland kann, warum nicht auch die Schweiz?
ARBEITSMINISTER HANDELT. Als sich im letzten Mai im Tönnies-Stammwerk das Coronavirus verbreitete, kam aus, dass das Unternehmen nicht mal alle die Namen der Mitarbeitenden kannte. Ans Licht kamen auch miese Wohnschläge und ständige Verletzungen der Maximalarbeitszeiten und des Mindestlohns. Mit diesem «System der organisierten Verantwortungslosigkeit» wollte der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil dann Schluss machen. Der SPD-Mann überwies dem Bundesparlament einen Gesetzesentwurf, der ein Verbot des Subunternehmertums vorsieht und ein Maximalvolumen der Temporärarbeit von 8 Prozent. Doch die Fleischindustriellen bockten und mobilisierten ihre Freunde bei der CDU. Aber für das skandalöse Dumpingmodell wollten diese dann doch nicht geradestehen.
MEHR KONTROLLEN. Jetzt ist das Gesetz in Kraft. Es sieht auch vor, die Anzahl staatlicher Kontrollen in allen Branchen zu erhöhen. Für jedes Bundesland gelten dafür nun Mindestvorgaben. Wenn Deutschland das Subunternehmertum verbieten und die Temporärarbeit einschränken kann, warum nicht auch die Schweiz? Auf dem Bau zum Beispiel herrschen bei uns ähnliche Dumping-Geschäftsmodelle.
Andreas Rieger war Co-Präsident der Unia. Er ist in der europäischen Gewerkschaftsbewegung aktiv.