25 Milliarden Franken kostete die Entwicklung der Corona-Impfstoffe. Jetzt merken wir: Es gibt zu wenig Produktionsstrassen, um diese schnell genug zu produzieren.Denn dem Kapital sind Renditen wichtiger als die Vermeidung von unnötigen Todesfällen. Also müssen wieder die Staaten ran.
IMPFEN IN DOSEN: Wirksame Impfstoffe sind entwickelt. Doch jetzt hapert’s mit den Produktionsstrassen, weil das Kapital klemmt. (Foto: Pascal Drubel / UKGM)
Es gibt Impfbefürwortende von links bis rechts. Genauso wie es linke und rechte Impfgegnerinnen und -gegner gibt. Jetzt realisieren von rechts bis links Freunde des impftechnischen Fortschritts, dass das Kapital zu wenig Produktionsstrassen aufgebaut hat. Niemand will Fabriken bauen, um schneller Impfstoffe zu liefern, deren Preise bereits fest vereinbart wurden. Dem Kapital sind Renditen wichtiger als die Vermeidung von unnötigen Todesfällen. Wussten wir eigentlich schon lange.
Unterschiedliche Rezepte gegen diesen Missstand stehen im politischen Raum:
- Für die deutsche Partei «Die Linke» muss der Corona-Impfstoff-Hersteller Biontech/Pfizer Lizenzen an Dritte vergeben, damit die Konkurrenz weltweit mit dem Produzieren beginnen kann. Die beste Idee.
- Der neue US-Präsident Joe Biden will das Kriegsrecht nutzen, um die Unternehmen – wie auch immer – zum Produzieren zu zwingen. Wir sind gespannt.
- Bayerns CSU-Ministerpräsident
Markus Söder ärgert sich über fehlende Impfstoffe, ohne bisher einen Lösungsvorschlag auf den Tisch gelegt zu haben.
- Der deutsche FDP-Chef Christian Lindner fordert eine Stimulation der Produktion.
200 IMPFSTRASSEN. Auf der Welt leben 8 Milliarden Menschen. Wenn 70 Prozent von ihnen – zwecks Erreichung der Herdenimmunität – zwei Mal geimpft werden müssen, braucht es gut 11 Milliarden Impfdosen. Kein reiches Land wird in relevanten Mengen Impfdosen in die Armenhäuser dieser Welt liefern, bevor es nicht seine eigene Bevölkerung mit Impfstoffen versorgt hat.
Umso mehr, als die Pharmaunternehmen wie Biontech/Pfizer und Moderna/Lonza kein Interesse daran haben, in genügend Produktionsstrassen zu investieren. Niemand baut neue Autofabriken, wenn es zu wenig Kundschaft für teure Autos gibt. Jede weitere Impfstrasse in der Lonza würde 30 Millionen Franken kosten. Sie produziert 100 Millionen Impfdosen im Jahr. Vermutlich sogar 150 Millionen. Bleiben wir vorsichtig: Wenn alle Menschen bis Ende 2021 geimpft werden sollen, dann braucht es weltweit rund 200 solcher Impfstrassen, die schrittweise mit dem Produzieren beginnen.
Das geht nur mit Staatsknete. Gesamthaft müssten die Staaten 6 Milliarden Franken investieren, damit alle Menschen bis Ende 2021 geimpft werden können. Dies ist verglichen mit den 25 Milliarden Franken, die von den gleichen Staaten bisher in die Entwicklung der Corona-Impfstoffe investiert wurden, ein kleiner Zusatz-Pipifax-Betrag.
INTERNATIONALE SOLIDARITÄT. Der doppelte Vorteil einer solchen Strategie: In den reichen Ländern stünden viel schneller, als bisher geplant, genügend Impfstoffe bereit. Genauso, wie dies immer mehr politische Kräfte fordern. Und die Armenhäuser dieser Welt bekämen die Impfstoffe so schnell, wie dies lange Zeit für die Schweiz vorgesehen war.
Seien wir nicht naiv, es geht auch um den Wettbewerb sich konkurrierender mehr oder minder imperialer Staatensysteme. Die erste Runde haben die Impfstoff-Entwicklerinnen und -Entwickler aus Russland und China verloren. Ihre Produkte sind offenbar etwas weniger gut und nicht nach internationalen Standards getestet. Werden sie mittels eigener Forschung oder Industriespionage den Rückstand aufholen? Sie werden es auf jeden Fall versuchen. Ausser sie bekommen die besten Impfstoffe zwecks Lizenzproduktion auf dem Silbertablett serviert.
Anstatt einen neuen kalten, digitalen Krieg zu beginnen, wären Impfstrassen die richtige Antwort. «Hoch die internationale Solidarität!» skandierte vor mehr als fünfzig Jahren jener Teil der Jugend, der rebellierte.
Link zum Thema:
- rebrand.ly/kronig
Die Schweiz hat auf drei Impfstoffe gesetzt. Der von Moderna/Lonza ist sehr gut, der von Biontech/Pfizer gleich gut, macht aber bei der Kühlkette Probleme. Beide haben sie einen Wirkungsgrad von über 90 Prozent, während jener von Astra Zeneca nur zu 70 Prozent wirkt. Den kann man also vergessen. Der Bundesrat hat über jeden Pipifax bis zu drei Stunden diskutiert. Sich aber nicht mit der Impfstoffbeschaffung befasst. Diese überliessen sie BAG-Vizedirektorin Nora Kronig. Voraussichtlich sollen sich bis Juni 2021 alle impfen lassen können, die das auch wollen. In der oben beschriebenen Logik läge auch hier eine Beschleunigung drin.