Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
Als die Briefträgerin Briefträgerin wurde, 1990 und definitiv 2007, waren die Frauen in diesem Beruf noch gewaltig in der Minderzahl. Seither haben sie aufgeholt, bilden geschätzt noch nicht die Hälfte des Personals, aber beinahe. Was die konkrete Arbeit angeht, herrscht zwischen den Briefträgerinnen und Briefträgern Gleichheit. Alle machen alles. Auch als für den Transport der Briefbünde zu den Depots noch Postsäcke verwendet wurden, hievten alle ihre Säcke selber in die RXe, die ehemaligen Transportwagen. Vielleicht legte manche Frau einen Bund weniger in ihren Sack, aber es gab und gibt weder ein schwaches noch ein starkes Geschlecht. Wer Rückenweh hat, bittet um Hilfe. Logisch. Egal, ob Mann oder Frau.
Wer Rückenweh hat, bittet um Hilfe. Egal, ob Mann oder Frau.
Kürzlich im Supermarkt in ihrem Quartier. Fünf Uhr vorüber. An der Kasse ein paar Jungs, junge Jungs, in fast betont fleckigen Überhosen. Auf dem Förderband ihre Feierabenddrinks: Bier und Wodkagsöff. Und dazu je eine Packung – Kinderschokolade. Die Briefträgerin lachte in sich hinein und auch ein wenig in ihre Richtung. Und sie erinnerte sich an eine Episode, die sich vor ein paar Jahren auf der Büez abgespielt hatte:
GRÄNNE. Der junge Kollege, ein «Quereinsteiger», war noch nicht lange bei der Post und musste sich erst mit allem zurechtfinden. Einmal, als sie vor der Tour ein paar Worte wechselten, ging’s um Missgeschicke. Die Briefträgerin sagte: «Ja, die Bünde müssen wir fest schnüren, denn wenn sie im Anhänger aufgehen oder wenn ein Kistchen mit der sortierten Post kippt und ausleert und alles durcheinandergerät – da grännisch!» Der Junge antwortete: «Du grännisch! Du darfst das, du bist eine Frau. Ich darf nicht.» Die Briefträgerin tröstete ihn spöttisch: «Du darfst auch. Du hast ja auch Tränenkanäle.» Ein paar Tage später verteilte er Gudeli an die letzten an den Gestellen verbliebenen Kolleginnen und Kollegen: je ein Täfelchen Kinderschokolade … «Kinderschokolade!» lachte die Briefträgerin. «Für das Kind im Manne!» Darauf er: «I ha diä drum megagärn.»