Jean Ziegler

Jean Ziegler

Die kroatische Grenze zu Bosnien-Herzegowina wird von Nato-Stacheldraht geschützt. Auf den schlammigen Wegen der kroatischen Seite patrouillieren maskierte Polizisten. Sie sind mit Handschellen und Schlagstöcken aus Stahl ausgerüstet und werden von Hunden begleitet, die auf Menschen dressiert sind.

Schweizer Beamtinnen und Beamte helfen mit, das universelle Menschenrecht auf Asyl zu liquidieren.

«SCHILD EUROPAS». An dieser Aussengrenze der Europäischen Union, in Sarajewo, in Bihać und anderen Städten Bosnien-Herzegowinas, vegetieren Zehntausende von Flüchtlingen unter unmenschlichen Bedingungen. Sie stammen aus Syrien, aus dem von Krieg und Cholera verwüsteten Jemen, aus Afghanistan, aus dem Südsudan.

Einige von ihnen versuchen immer wieder, den Stacheldraht zu überwinden und mit blutigen Händen auf die andere Seite zu gelangen, um dort einen Asylantrag zu stellen. Die Polizisten jagen sie zurück. Unterschiedslos prügeln sie auf Frauen, Männer und Kinder ein.

Aktivistinnen und Aktivisten verschiedener europäischer Nichtregierungsorganisationen, die in den Lagern im Norden von Bosnien-Herzegowina präsent sind, begleiten die Flüchtlinge bis zur Grenze. Sie dokumentieren die Gewaltakte. Die Polizisten sind maskiert. Unter ihnen agieren regelmässig – so sagen es die Aktivisten – Beamte der europäischen Grenzschutzbehörde Frontex.

Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, lobt die Menschenjäger als «Schild Europas». Die Grenzwacht soll in diesem Jahr auf 10 000 Männer und Frauen aufgestockt werden. Gemäss dem EU-Budget soll sie im Verlauf der nächsten drei Jahre eine Finanzierung von 14,2 Milliarden Euro erhalten.

Bewaffnete Schnellboote von Frontex jagen in der Ägäis und im zentralen Mittelmeer die Schlauchboote der Flüchtlinge. Drohnen überwachen die Flüchtlingszüge in Nord­afrika und die Gefängnisse in Libyen. In Ungarn und Kroatien unterstützen Frontex-Beamte die Schlägertruppen der lokalen Polizei.

«AUSSENGRENZE DER SCHWEIZ». Frontex schützt mit militärischer Gewalt die Aussengrenzen des Schengen-Raums, die gemäss Bundesrätin Karin Keller-Sutter auch «die Aussengrenze der Schweiz» ist. Unser Land sitzt im Verwaltungsrat der Organisation, und Keller-Sutter drängt dort regelmässig auf eine Verschärfung der Abschreckung. Schweizer Zollbeamtinnen und Zollbeamte und Polizisten sind für Frontex in Spanien, in Griechenland und in Süditalien im Einsatz. Sie helfen mit, das universelle Menschenrecht auf Asyl zu liquidieren.

Es ist ein unerträglicher Skandal, dass die Schweiz die Menschenjagd mit Personal und Geld unterstützt. Sie muss dringend und definitiv ihre Mitgliedschaft bei Frontex kündigen.

Jean Ziegler ist Soziologe, Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und Autor. Im letzten Jahr erschien im Verlag C. Bertelsmann (München) sein neustes Buch: Die Schande Europas. Von Flüchtlingen und Menschenrechten.

1 Kommentare

  1. Peter Bitterli 28. März 2021 um 17:40 Uhr

    Das ist in Kuba unnötig. Dort gibt es das Meer. Und dort will niemand hin.

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