Der Kuba-Boykott von Schweizer Banken nimmt groteske Züge an. Und Medienhäuser sekundieren mit Kuba-Schauermärchen.
ALTSTADTLEBEN: Kuba leidet unter dem US-Embargo, und wegen Corona lahmt jetzt auch noch der Tourismus. Häuserzeile in der Hauptstadt Havanna. (Foto: Dorothea Oldani / UNSPLASH)
Einmal müssen auch Kommunistenführer kürzertreten. Und so geht Raúl Castro, der Bruder des 2016 verstorbenen Fidel, dieser Tage in Pension. Sein Amt als Vorsitzender der kubanischen Einheitspartei hat der bald Neunzigjährige an Staatschef Miguel Díaz-Canel (60) abgetreten. Derartige News bringen kalte Krieger zum Jubeln – und so manche bürgerliche Zeitung aus dem Häuschen. Endlich sind die Castros weg! Möge das Revoluzzerregime bald fallen! So der Tenor unzähliger Artikel.
Überhaupt schreiben gewisse Redaktionen jedes noch so vage Gerücht zur Tatsache hoch: «Kubanische Ärzte versklavt», titelte unlängst die «NZZ am Sonntag». Selbiges Horrormärchen hatte zuvor schon das Westschweizer Radio RTS erzählt – und sich damit eine Rüge der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen (UBI) eingebrockt. Der Beitrag sei «einseitig», verschweige «wesentliche Fakten» und verunmögliche dem Publikum eine sachgerechte Meinungsbildung.
Die antikubanische Hyperaufmerksamkeit der Presse steht dabei in auffälligem Kontrast zum Desinteresse über die eidgenössisch-kubanischen Beziehungen. So berichtete keine einzige Tageszeitung darüber, was der Nationalrat am 9. März Erstaunliches beschlossen hatte. Nämlich: Der Bundesrat müsse den Druck auf die USA erhöhen, «damit eine der ärmsten Bevölkerungen auf diesem Planeten von den jahrzehntelangen Fesseln der notbringenden Wirtschaftsblockade befreit werden kann». Und auch in der Uno müsse die Schweiz gegen das seit 60 Jahren bestehende völkerrechtswidrige US-Embargo aktiver vorgehen.
«Nicht mal von meinem Privatkonto wollte die UBS das Geld akzeptieren.»
KUSCHEN VOR DEN USA
Durchgebracht hatten dieses Postulat notabene nicht nur SP und Grüne, sondern auch die FDP-Fraktion. Diese ungewöhnliche Allianz beauftragte die Regierung ausserdem, Massnahmen zu prüfen, wie der Handel mit Kuba aus der Schweiz heraus wieder möglich werde.
Denn nach wie vor verweigern helvetische Banken Transaktionen nach Kuba – aus Angst vor US-Sanktionen. Der vorauseilende Gehorsam der Geldinstitute nimmt dabei immer absurdere Ausmasse an. So lehnen UBS, CS oder Bank Cler sogar schweizinterne Zahlungen ab, wenn sie der Karibikinsel zugute kommen könnten.
KEIN GELD FÜR DIE TODESANZEIGE
Viele Unterstützende der humanitären Hilfsorganisation Medicuba können deshalb keine Spenden mehr überweisen. Damit nicht genug. Onkologe und Medicuba-Mann Franco Cavalli weiss: «Kürzlich wollten wir einer Schweizer Pharmafirma 25’000 Franken für bestellte Antibiotika überweisen, doch die Empfängerbank UBS blockte ab. Nicht einmal von meinem Privatkonto wollten sie das Geld akzeptieren!»
Und selbst vor Toten macht das Kuschen vor den USA nicht Halt: Als am 21. Dezember Cavallis Bruder Fausto an Covid-19 verstarb, schaltete Medicuba eine Todesanzeige in einer Tessiner Zeitung. Hierfür das Geld überweisen konnte die Hilfsorganisation jedoch nicht. Die UBS lehnte es ab.
Kriseninsel Ein Lichtblick
Sommer, Sonne, Sozialismus – doch das Leben auf Kuba ist kein Zuckerschlecken. Das Land steckt in der tiefsten Krise seit dem Kollaps der Sowjetunion: Es herrscht Mangel an Treibstoffen, Strom, Medikamenten und Nahrungsmitteln. Weil der Handel mit dem krisengebeutelten Bruderland Venezuela eingebrochen ist. Weil Corona den Tourismus fast komplett zum Erliegen brachte. Und weil die USA seit 60 Jahren einen gnadenlosen Wirtschaftskrieg gegen Kuba führen. Donald Trump verschärfte diesen massiv.
LISTE. Keine einzige Massnahme hat sein Nachfolger Joe Biden bisher zurückgenommen. Deshalb steht Kuba noch immer auf der US-Liste der «Terrorunterstützer». Und deshalb fürchten Banken noch immer Strafen, wenn sie mit Kuba verkehren. Auch in der Schweiz.
AUSNAHME. Einen Lichtblick gibt es: Die Schweizer Hilfsorganisation Medicuba kann via Postfinance wieder Transaktionen nach Kuba tätigen. Die Service-public-Bank erteilte nach Protesten hierfür eine humanitäre Sondergenehmigung.