Sprachkurse:Kantone sind Lohndumper
Die Unia und die Arbeitgeber der Branche arbeiten zusammen – für mehr Qualität statt Billig-Bildung.
Unterrichten bei Berlitz, Akad & Co: Viele Lehrerinnen und Lehrer können von einem fixen Monatslohn nur träumen. Das zeigt eine Befragung von 500 Lehrkräften.
Jeden Tag zwischen 16 und 18 Uhr musste die Deutschlehrerin Karolina Becker * bei der Berlitz-Schule anrufen. Dann erfuhr sie jeweils, ob und wie sie am nächsten Tag unterrichten konnte. «Ich stand von Montag um 8 Uhr bis Freitag um 20 Uhr zur Verfügung, um auf genügend Stunden zu kommen. Denn bezahlt wurde ich nur für die Lektionen, die ich tatsächlich geben konnte.»
Und zwar mit weniger als 30 Franken pro Lektion. So gut wie gar nicht bezahlt wurde sie für all den anderen Aufwand, den sie als Sprachlehrerin auch hatte und hat: das Vorbereiten der Lektionen, das Korrigieren von schriftlichen Arbeiten, die Anreise zu Firmenkunden oder zu Privatschülerinnen in den Vororten. Becker: «An manchen Tagen habe ich zwei Stunden im ÖV verbracht. Ohne Bezahlung.»
«Ich bin auf mehrere Nebenjobs angewiesen.»
Eine neue Studie belegt jetzt: In privaten Sprachschulen arbeiten die Lehrkräfte oft zu solch prekären Bedingungen. Im Auftrag der Unia analysierten Fachleute des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (Bass) die Branche und befragten über 500 Lehrkräfte. Dabei zeigte sich: Weniger als ein Viertel der Mitarbeitenden haben einen fixen Monatslohn. Und wenn, dann meist nur eine Teilzeitstelle. Die meisten aber werden pro Lektion bezahlt.
Auch an der privaten «Hallo Deutschschule» in Zürich ist das so. Dort dauert ein Intensivkurs mit täglich zwei Lektionen vier Wochen. So lange wissen die Lehrerinnen und Lehrer, was sie verdienen. Und danach? Eine Lehrkraft an der Schule, die anonym bleiben will, sagt: «Wenn der Folgekurs nicht zustande kommt, kann es sein, dass ich ein, zwei Wochen gar keine Lektionen habe.» Und damit auch keinen Verdienst. Diese Unsicherheit sei auf Dauer eine Belastung, sagt sie: «Die Schule kann uns von einem Tag auf den anderen alle Lektionen wegnehmen. Und wir haben nicht einmal eine Kündigungsfrist! Die Firma wälzt das Risiko voll auf uns ab.»
Was das heisst, hat Deutschlehrerin Nadja Preissler erlebt. Bei der Akad-Schule hat sie Bundesangestellte unterrichtet: «Das lief gut, ich konnte viele Kurse geben. Doch plötzlich, von heute auf morgen, bekam ich gar keine Stunden mehr. Akad hatte den Auftrag des Bundes an die Migros-Klubschule verloren.»
Die Unia-Studie zeigt auch: Unterrichten an Sprachschulen ist meist Frauenarbeit. 83 Prozent der Teilnehmenden waren Frauen. Sie sind bestens qualifiziert – 54 Prozent hatten einen Uni- oder Fachhochschulabschluss. Doch nur 26 Prozent gaben an, dass ihr Gehalt beim Hauptarbeitgeber gut zum Leben reiche.
Immerhin: Bei Non-Profit-Organisationen wie Volkshochschulen oder Stiftungen sind die Löhne etwas besser als bei den kommerziellen Schulen. Lehrerin Svenja Koch* unterrichtet bei der Stiftung ECAP, einer der wenigen Sprachschulen mit einem Gesamtarbeitsvertrag: «Wir verdienen 60 bis 65 Franken pro Lektion. Die Volkshochschule zahlt 85 Franken.» Bei der ECAP haben die Lehrkräfte zudem Anspruch auf ein Mindestpensum pro Semester, basierend auf dem Durchschnitt der letzten zwei Jahre. Koch: «Das ist nicht schlecht. Dennoch ist es schwer, ein Pensum zu erhalten, mit dem man den Lebensunterhalt bestreiten kann. Ich bin auf mehrere Nebenjobs angewiesen.»
Download der Unia-Studie: www.unia.ch/eb
* Namen geändert