5. Unia-Kongress:
Digital & ­dezentral

Der Unia-Kongress am 4. und 5. Juni findet in ungewohnter Form statt. Dennoch ist für Spannung gesorgt. Auf der Traktandenliste steht unter anderem die Wahl der Leitungsgremien.

SIE STELLEN SICH ZUR WAHL: Mit Yves Defferrard und Bruna Campanello kandidieren zwei langjährige Gewerkschafts-Aktive für die Unia-Geschäftsleitung. (Fotos: Unia/Nicolas Zonvi)

Ein so richtiges «Kongress­feeling» wird am 4.  und 5. Juni wohl nicht aufkommen. Denn der fünfte ordentliche Kongress der Unia muss wegen Corona online und dezentral durchgeführt werden. Die Delegierten versammeln sich in ihren Regionen und werden per Konferenzschaltung miteinander verbunden. Gäste sind diesmal ebenso wenig vorgesehen wie Gast­reden – mit einer Ausnahme: SGB-Chef Pierre-Yves Maillard wird der grössten Schweizer Gewerkschaft seine Aufwartung machen.

Statt wie üblich zweieinhalb wird der Kongress nur eineinhalb Tage dauern. Das bringt leider Einschränkungen bei der Redezeit und damit auch bei der Debattenkultur mit sich. Ein wichtiger Kongressteil muss sogar auf einen separaten Tag verschoben werden.* Er wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte stattfinden.

DIE WAHLEN

Dennoch ist für Spannung gesorgt, schliesslich stehen am Samstag (5. Juni) zentrale Wahlen in die Leitungs­gremien der Unia an: in die Geschäftsleitung und in den Zentralvorstand. Besonders erstere könnte wegweisend werden. Wenn es der Kongress denn will, hätte die Unia danach nicht nur eine starke Frau als Präsidentin, sondern auch eine starke Frauenmehrheit in ihrem obersten Führungsgremium.

Unia-Chefin Vania Alleva kandidiert erneut als Präsidentin. Für die übrigen sechs Geschäftsleitungspositionen stellen sich Martin ­Tanner und Véronique Polito (beide als Vize), Nico Lutz und Renate Schoch zur Wahl sowie neu Bruna Campanello und Yves Defferrard. work porträtiert die beiden «Neuen» in dieser Ausgabe (siehe unten). Diese Frauenpower wäre sicher über die Unia hinaus ein starkes Zeichen dafür, dass die Gleichstellung definitiv in den traditionell von Männern dominierten Bastionen der Gewerkschaftsbewegung angekommen ist.

DIE THEMEN

Auch die wichtigsten Kongressthemen dürften für einige Aufregung sorgen, sind die Delegierten doch gebeten, zu folgenden brisanten politischen Schlüsselthemen Stellung zu nehmen: soziales Europa & Rahmenabkommen, AHV-Revision & Zukunft der Altersvorsorge, Situation der Migrantinnen und Migranten in der Schweiz sowie die Bewältigung der Coronakrise. Zu all diesen Themen gibt es eine Resolution.

Besonders die Coronakrise und ihre Folgen werden bestimmt zu reden geben: Die steigende Arbeitslosigkeit, immer prekärere Arbeitsbedingungen, aber auch die Gesundheitskrise stellen uns vor grosse Herausforderungen. Die Covid-Pandemie hat die soziale Ungleichheit und Unsicherheit zusätzlich ­verschärft. Und sie hat mit ­brutaler Wucht deutlich gemacht, wie verletzlich – aber auch wie wichtig und unersetzlich – Organisationen der Solidarität sind. Zum Beispiel Gewerkschaften.

Im Coronaschock konnte die Unia ihren Mitgliedern – und unzähligen weiteren Arbeitnehmenden – sofort mit konkretem Rat zur Seite stehen. Und auch auf politischer Ebene trug sie entscheidend dazu bei, dass der Bund die coronageschüttelten Arbeitnehmenden und KMU konkret unterstützte: mit Kurz­arbeit, Härtefallent­schädi-
gungen usw.

STRATEGIE UND REFORM

Neben den politischen Diskussionen stehen am Kongress auch organisationspolitische Vorlagen zur Abstimmung: Am Freitag (4. Juni) folgen, nach einer Bilanz der vergangenen vier Jahre, die Anträge zur Organisationsstrategie. Diese ist in die Kapitel Mitgliederentwicklung, aktive Mitglieder, Mitgliederbetreuung, Mobilisierungsfähigkeit, kollektive Arbeitsbeziehungen, politischer Einfluss, Arbeitslosenkasse und professionelle Organisation gegliedert. Und legt die wesent­lichen Ziele und Leitplanken für den Ressourceneinsatz der Unia in den kommenden vier Jahren fest.

Last, but not least wird der Kongress auch über den Start eines Reformprozesses «Unia 2.0» befinden. Dieser wird nötig, weil die Aufgaben und Herausforderungen der Unia künftig sicher noch anspruchsvoller werden. Ein entsprechender Leitantrag sieht dann einen ausserordentlichen Statutenkongress Anfang 2023 vor. Hoffentlich wird dieser wieder live!

* Verschoben werden die über 60 Anträge, die zu den vier Positionspapieren «Starke Arbeitnehmendenrechte – für alle gleich!», «Respekt, mehr Lohn, mehr Zeit!», «Ökosozialer Umbau!» und «Solidarisch aus der Krise» eingegangen sind.

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