Andreas Rieger
Zum Jubeln ist die Beerdigung des Rahmenvertrags mit der EU nicht. Es war ein Trauerspiel, das da sein Ende fand. Zum Schluss gingen die Emotionen nochmals hoch. Da konnten wir einige Dinge deutsch und deutlich hören. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) etwa, das konservative Blatt des deutschen Kapitals, meint: Die flankierenden Massnahmen seien ein «Schutzwall», um protektionistisch den Handwerksbetrieben «den Arbeitseinsatz in der Schweiz zu vermiesen». Damit sei die Dienstleistungsfreiheit der EU verletzt, wogegen man leider nicht klagen könne.
NEOLIBERALER UNSINN. Der Schweizer Protektionismus ist eine Lüge: Süddeutsche Patrons führen in der Schweiz allein im Baugewerbe jährlich Aufträge für über 1 Milliarde Euro aus. Das sind 30 Mal mehr Aufträge, als umgekehrt Schweizer KMU in Deutschland ausführen. Trotzdem war diese Lüge sieben Jahre lang ein Kern der Verhandlung seitens der EU. Gerade jüngst wieder bezeichnete der deutsche Botschafter Gerhard Brügger unsere flankierenden Massnahmen als «diskriminierend und vertragswidrig». Will auch er klagen?
Frustriert vom Abbruch ist auch der deutsche Europa-Parlamentarier Andreas Schwab. Von den Schweizer Medien wird er behandelt, wie wenn er Aussenminister der EU wäre, jeden Tag gibt er Interviews. Dabei ist er der Lobbyist der süddeutschen Patrons (siehe auch Seite 7). Und die möchten bei Aufträgen in der Schweiz weniger kontrolliert, erwischt und gebüsst werden. Kein Wunder, bezeichnet Schwab den Übungsabbruch durch die Schweiz als unverschämt: «Diese Chuzpe muss man haben.» Sieben Jahre Zeit seien verschwendet worden. Er muss es wissen, denn seit sieben Jahren verspricht er seiner Unternehmer-Klientel, dass bald Schluss sein werde mit der Unbill in der Schweiz
VORBILD SCHWEIZ. Zu hören gibt es in den letzten Tagen aber auch Erfreuliches, vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Jürgen Höfflin, DGB-Verantwortlicher der Region Südbaden, sieht die Sache nämlich anders: «Wir wären hier in Deutschland froh, wenn wir einen so effektiven Lohnschutz hätten. Statt die Schweizer Massnahmen runterzudrücken, würde die EU unsere Massnahmen besser auf Schweizer Level anheben.» Das ist auch unsere Meinung.
Andreas Rieger war Co-Präsident der Unia. Er ist in der europäischen Gewerkschaftsbewegung aktiv.