22 lange Monate haben afrikanische Putzfrauen in Paris gegen den Riesenkonzern Accor gekämpft. Jetzt feiern sie ihren Sieg.
AUSDAUER: Zimmerfrauen des Hotels Ibis Batignolles demonstrieren am 17. Oktober 2019 vor dem Accor-Hauptquartier in Paris, am ersten Tag des vierten Monats ihres Streiks, für bessere Arbeitsbedingungen. (Foto: CGT)
Stattlich, mit lachendem rotem Mund, ein nachtblaues Tuch zum Turban geknotet, kommt Rachel Kéké, 46, am 25. Mai aus den Verhandlungen. Sie ist die Sprecherin der Zimmerfrauen des Pariser Hotels Ibis Batignolles. 700 Zimmer. Es gehört zum Accor-Konzern. Die Putzfrauen sind allesamt Afrikanerinnen. Kéké schwenkt ein mehrseitiges Dokument: «Wir haben gewonnen!»
Jetzt tanzen sie, singen ihr Kampflied im westafrikanischen Souk-Stil: «Schrubben, schrubben, das gehört anständig bezahlt.» Die Vortänzerin trägt ihr Kleinkind auf dem Rücken. Es regnet Konfetti. Eine Zimmerfrau greift sich das Megaphon. Sie ruft: «Sklaverei!» Die Frauen antworten im Chor: «Schluss damit!» – «Misshandlung!» «Schluss damit!» – «Auslagerung!» «Schluss damit!»
«Wir mussten unser Schweigen brechen!»
22 MONATE LANG TAG FÜR TAG
Den Putzlappen hatten sie am 17. Juli vor zwei Jahren hingeschmissen. 22 Monate: tägliche Protestaktionen und Streikpiketts. Sie mussten durch Covid, durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Entmutigungen. Dann haben sie sich gegenseitig Mut zugesprochen. Sie sind zusammengewachsen. Rachel Kéké sagt, Tränen in den Augen: «Immer wieder habe ich mich gefragt, was wir Herrn Bazin angetan haben, dass er uns so total ignoriert.» Sébastien Bazin ist der CEO der Hotelgruppe Accor. Der Mann sieht aus und redet, als könnte er auch einen Bio-Wanderclub leiten. Doch er gebietet über 5100 Hotels in 110 Ländern und macht 4 Milliarden Franken Umsatz.
«UNSICHTBAR GEMACHT»
Moderne Sklaverei? Die schlechten Löhne und Arbeitsbedingungen hat Bazin auf das Subunternehmen STN abgeschoben. An sie hat Accor einen Teil der Reinigungsarbeiten im Hotel Batignolles ausgelagert. Viermal haben die Putzfrauen bei ihm vorgesprochen, viermal blieb seine Türe zu. Doch damit kam er nicht durch. Personalvertreterin Sylvie Kimissa sagt: «Er ist Komplize. Der Auftraggeber.» Rachel Kéké chrampft seit 14 Jahren bei Accor, dabei war sie offiziell schon bei vier verschiedenen Firmen angestellt: «Wer macht die Milliarden, die Accor verdient? Wer sorgt dafür, dass in Pariser Hotels Millionen Touristinnen und Touristen nächtigen können? Die Zimmerfrauen! Wir haben CEO Bazin an der Krawatte gepackt und nicht mehr losgelassen.»
Wer im Schnitt um die 25 Zimmer pro Tag putzt, macht einen Knochenjob, mit 800 bis 900 Euro pro Monat (ca. 900 Franken) miserabel bezahlt. Überstunden gibt es nicht. Es ist einer dieser vielen unsichtbaren Jobs, auf die Luxus und Wohlleben bauen. Oft von Migrantinnen und Migranten geleistet. Die Marseiller Soziologin Aïcha Sif präzisiert: «Nein, nicht einfach unsichtbar – unsichtbar gemacht.» Es könnte manche Gäste irritieren, wenn sie wüssten, wie ihr Dreck weggemacht und der saubere Schein mit dem Nachtmümpfeli auf dem Kissen hergestellt wird.
In nur 17 Minuten pro Zimmer, so verlangt es das Hotelmanagement. Dreimal reglementarisch klopfen und rufen: Zimmerservice. Dann rein. Hin und wieder bauen sich männliche Gäste nackt vor der Zimmerfrau auf. Oder greifen ihr an die Brust. Sylvie Kimissa: «Jede von uns erlebt solche Dinge.» An einem normalen Tag: Lüften. Bad, Toilette, Dusche einsprayen, der Spray muss 10 Minuten wirken. Dreck, Essensreste usw. wegräumen. Flecken beseitigen. Bettzeug, Kissenbezüge usw. in den Wäschewagen. Matratze richten, Bett, Kissen neu beziehen. Schön glattstreichen. Staub wischen, Telefon, Kaffeemaschine, Fernbedienung usw. desinfizieren. Staubsaugen, Böden feucht aufnehmen, Licht und TV checken. Fenster und Spiegel und Schubladen putzen. Dann husch, husch, Bad, Toilette, Badewanne reinigen. Drei verschiedene Lappen, mehrere Paar Handschuhe. Zimmerfrau Nayé Gakou: «Manchmal fehlt das Material. Wir würden es ja gerne gut machen …»
Diese Arbeit schlägt tatsächlich auf die Knochen. Auf Füsse, Rücken, Schultergelenke. Der Arbeitsmediziner erschrak, als er die Röntgenbilder sah. «Diese Arbeitsorganisation macht uns kaputt», sagt Kéké, «wir mussten unser Schweigen brechen.»
SICHTBAR GEMACHT
Und sie wusste, wie. «Viele von uns können vielleicht nicht lesen und schreiben, aber da gibt es ja auch noch die Intelligenz.» Also haben sie sich sichtbar gemacht. Eine Hotelkette lebt vom Image. Accor treibt viel Gewese um Ökologie und Arbeitsbedingungen.
Darum sind die Zimmerfrauen immer wieder trommelnd durchs Hotel gezogen. Haben sich verkleidet und manches lustige Happening veranstaltet. Singend, tanzend. Und sie waren mit den Gelbwesten, bei den Krankenpflegerinnen, den streikenden Theaterleuten, bei Modeschauen. Und bei papierlosen Flüchtlingen. Die Medien sprangen auf.
Das wirkte. Subunternehmerin STN musste schliesslich die Löhne erhöhen und die Kadenzen senken, auf 2,5 Zimmer pro Stunde. Accor-Chef Sébastien Bazin sah sich gezwungen, das Abkommen zu garantieren. «Ein schöner Sieg», findet Kéké. Ein mutiger zudem. Wer den Job verliert, wird seine Aufenhaltserlaubnis verlieren.
Dabei geholfen, «eine eigene Sprache und den Stolz zu finden» (Kéké), hat ihnen Tiziri Kandi von der Gewerkschaft CGT-Hotels. Kandi musste sich dabei gegen die Skepsis der Dachorganisation durchsetzen: «Die sagten uns: Das ist Accor. Diese Mobilisierung hat keine Chance. Sofort abbrechen.» Tja.