Matthias Fröhlicher ist ein bunter Hund in der grauen Malerbranche: Er arbeitet 60 Prozent. Und er hat den Namen seiner Frau angenommen. Die dummen Sprüche überhört er gerne. Schliesslich hat es ihm mehr Lebensqualität gebracht – und die Heirat mit seiner grossen Liebe.
TEILZEIT-BÜEZER. Matthias Fröhlicher bringt Farbe in verkrustete Arbeitsmodelle. (Fotos: Mara Truog)
«Interviews geben – das bin ich mittlerweile gewohnt», sagt Matthias Fröhlicher lachend zur Begrüssung. Der 40jährige läuft durch den Gang an zwei schnurrenden Langhaarkatzen und dem Staubsauger vorbei zum Esstisch, dort räumt er zwei, drei Heftchen auf die Seite und bietet Kaffee an. Hier, im blauen Mehrfamilienhaus in Rafz, Zürcher Unterland, wohnt der gebürtige Ostdeutsche mit seiner Frau und seiner fünfjährigen Tochter.
Am Anfang lebte die Familie das klassische Schweizer Modell: Sie arbeitete 60, er 100 Prozent. Das Kind wurde zwei Tage in der Kita betreut. Meist kam er am Abend spät heim. Müde, gestresst und unter Strom. Dieser entlud sich bei jeder Kleinigkeit: «Banalitäten brachten mich in Rage.» Von der Tochter bekam er nicht viel mit. «Ich hatte die bekannte Stunde vor dem Zubettgehen.» Dann wurde seiner Frau zum wiederholten Mal der Job als Teamleiterin angeboten. 80 Prozent. Mehr Lohn. Mehr Verantwortung. «Sie verdiente eh schon besser als ich. Da war für uns klar: Wir passen unsere Rollen an», erzählt Fröhlicher.
Seitdem ist das Interesse der Medien gross. Sogar das Fernsehen hat ihn interviewt. Ein trauriges Zeichen: Teilzeitarbeiten ist in Handwerksberufen immer noch eine Seltenheit. Von flexiblen Arbeitsmodellen keine Spur. Familienverträglichkeit? Fehlanzeige! Viele Chefs beharren auf Vollzeitmitarbeitenden.
ABDECKEN STATT KLECKERN: Maler Matthias Fröhlicher kennt sich mit den Farben und ihren Tönen aus.
JOBWECHSEL. Auch der ehemalige Chef von Matthias Fröhlicher. Sie seien ein 100-Prozent-Betrieb. Wenn ihm das nicht passe, könne er gehen, hiess es. Und das, nachdem Matthias Fröhlicher 12 Jahre dort gearbeitet hatte. «Ich war so was von wütend und enttäuscht.» Dafür erleichterte es ihm die Entscheidung: Er kündigte ins Blaue raus. Von einem Tag auf den andern. Zwar fragte der Chef noch einige Male nach, ob er nicht doch bleiben wolle. Aber für Fröhlicher war die Sache gegessen.
Er fand im Netz genau eine einzige Teilzeitstelle für Maler, bewarb sich – und bekam den Job. Zum Glück: Maler ist trotz dem steigenden Druck auf den Baustellen sein Traumberuf. Das wusste er bereits als kleiner Junge. «Das Handwerk, die Baustellen, der Geruch, der Lärm: Mir gefällt alles am Beruf!» Nach der Ausbildung heuerte er in verschiedensten Betrieben an, ging auf Wanderschaft. Nach Holland. Durch ganz Deutschland. Manchmal alleine. Oft mit seinen besten Freunden. «Wir waren und sind bis heute eine kleine Gang. Fünf Männer.» Mit ihnen zusammen zog er auch in die Schweiz. Das Abenteuer lockte. Und das Geld.
In der Schweiz verdienten sie temporär arbeitend 21.65 Franken. Viel mehr als in Deutschland. «Wir fühlten uns wie Helden, bis wir nach Monaten bemerkten, dass wir beschissen wurden.» Statt des Mindestlohnes von 31.65 erhielten sie nur einen Bruchteil. Kurzerhand statteten sie dem Temporärbüro einen Besuch ab und forderten das Geld ein. Und zwar Cash auf die Hand. Vom Bancomaten. Matthias Fröhlicher: «Damals wussten wir noch nichts vom GAV. Aber es war uns eine Lehre.»
NAMENSWECHSEL. In dieser wilden Zeit lernte er auch Rebecca kennen. Seine künftige Frau. Bereits nach drei Monaten sagte er zu ihr: «Dich werde ich mal heiraten.» Die Pflegefachfrau schüttelte nur lachend den Kopf: «Dann musst du aber deinen Namen wechseln. Ich gebe meinen nicht her.» Für Matthias Fröhlicher, der damals noch Schmidt hiess – kein grosses Ding: «Wir leben schliesslich im 21. Jahrhundert.» Dort sind anscheinend noch nicht alle angekommen: Dumme Sprüche liessen in seinem Umfeld nicht lange auf sich warten. Wie auch bei der Pensen-Reduktion: «Teilzeitclown», «Ah, jetzt kommt wieder die Halbtagskraft» oder «Du kommst auch mal wieder arbeiten?». Doch all diese Sprüche überhört er gelassen.
Er geniesst die Zeit mit der Tochter. Macht Ausflüge in den Kletterpark, in den Wald und kümmert sich um sie, wenn sie krank im Bett liegt. Und gönnt sich persönlich mehr Pausen. «Ich bin viel ruhiger und ausgeglichener geworden.» Aufstocken auf 100 Prozent kommt für ihn nicht in Frage. Zu gross ist der Zeitdruck auf den Baustellen. Zu gross die Abstriche im privaten Bereich. Zu gross der Wunsch, die Tochter aufwachsen zu sehen. Er hofft vor allem eines: Dass die Chefs künftig umdenken. Flexibler werden. Offener. «Schliesslich profitieren auch sie von zufriedenen Mitarbeitenden!»
Matthias Fröhlicher Tapetenwechsel
Der Handwerker und Maler macht sich in der Wohnung bemerkbar: Die Wände im Wohnzimmer leuchten in hellem Lila. Das Schlafzimmer dämmert in einem satten Fliederrot. Und das Kinderzimmer trumpft in Gelb- und Blautönen auf, längsgestreift. Matthias Fröhlicher spielt gerne mit Farben. Als Profi weiss er auch, was geht – und was nicht. «Grüne und blaue Töne sind kalt. Das wird einem rasch zu viel.»
MINTGRÜN. Dem Wunsch seiner Frau nach einer mintgrünen Wand kam er nur widerwillig nach. Er wusste: Lange würde die Freude nicht halten. Und er behielt recht: Bereits nach einigen Wochen strich er die Wand wieder um. «Es gibt Töne, die wirken auf den ersten Blick cool, aber verleiden einem nach kurzer Zeit.» Deshalb empfiehlt er warme Farben. Und diese nie ganz bis zur Decke zu ziehen, sondern einen Rand zu lassen. «Sonst verändert sich das Raumverhältnis zu stark.»
Matthias Fröhlicher ist Unia-Mitglied. Er verdient 2600 Franken brutto bei einem 60-Prozent-Pensum.