Stur wie eine Eselin
Die Wahrheit ist ja bekanntlich ein stark umworbenes, kostbares Gut. Und sieht je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich aus.
Auf der japanischen Insel Kyushu hat in einem Naturreservat soeben das neun Jahre alte Makaken-Weibchen Yakei die Führung der ganzen 677 affenstarken Horde übernommen. Das durften wir kürzlich im englischen «Guardian» lesen. So was hat die Welt noch nicht gesehen: Auf dem Weg nach ganz oben brachte Alphaweibchen Yakei ihre 10 Kilo Lebendgewicht offenbar ohne Rücksicht auf Verluste ins Raufspiel und triumphierte schliesslich über den bisherigen Anführer Sanchu (31). Er war fünf Jahre lang der Boss gewesen. Die Aufseher rieben sich nur ungläubig die Augen: In der 70jährigen Geschichte des Takasakiyama-Reservats war so etwas noch nicht passiert. Um sicherzugehen, dass sie auch richtig sahen, machten sie den Nüsschen-Test. Sie streuten Ernüsschen aus und warteten, wer zuerst davon würde fressen können. Und siehe da: Sanchu zog den Schwanz ein und liess Yakei den Vortritt. Das untrügerische Verhalten eines Losers. Seitdem ermannt sich die oberste Äffin immer mehr: Sie besteigt Bäume und schüttelt sie, was sonst nur Männchen tun. Und sie stolziert umher mit erhobenem Schwanz, was sonst Weibchen nicht tun. Pikant auch, wie Yakeis Machtergreifung ursprünglich begann: sie bodigte ihre Mutter. Mindestens den Psychologieaffinen unter uns läuten jetzt die Ohren: Nur wer (symbolisch) den Mutter- oder Vatermord wagt, kann sich befreien. Wer sagt’s denn!
Good News, dank Yakei, Merkel und Tresch.
BIRNE WEG! Die Sache der Frau geht also voran, ausser dass wir Hemmige hei. Das tröstet manch eine vielleicht über den Abschied von Angela Merkel hinweg. Nach 16 Jahren im Amt verabschiedet sich die deutsche Kanzlerin – und wird am 26. September voraussichtlich durch einen Mann ersetzt. 16 Jahre Merkel: 16 Jahre hat sich diese Frau «so wenig pfauenhaft, zugleich aber auch so rücksichtslos und erfolgreich an der Macht gehalten», wie work-Autor Michael Stötzel analysiert. Hat alles ausgesessen und alle, die ihr lästig wurden, abgesägt. Wie Ober-Makakin Yakei. Selbst ihren Ziehvater Helmut Kohl liess «Kohls Mädchen», wie Merkel früher machomässig verspottet wurde, schliesslich auffliegen: Birne weg! Und wer sich mit Merkel ins Koalitionsbett legte, kroch als Polit-Zombie wieder raus. Auch taktisch ist sie ihren Gegnern hoch überlegen, da zeigt sich ihre Schulung in der DDR, wo sie aufwuchs und studierte. Merkel, die Super-Woman: dank ihr weiss heute jedes Mädchen, dass es auch Kanzlerin werden könnte.
WUNSCHKINDER. Voran geht es auch mit der «Ehe für alle», über die wir am 26. September abstimmen. In der zweiten SRF-Wahlbefragung sagt eine Mehrheit von 63 Prozent Ja zur Gleichstellung aller Liebesformen bei der Heirat. Das stärkste Argument dafür liefert uns die Zürcher Fotografin Liva Tresch (88): «Regenbogenkinder sind Wunschkinder – und keine Unfälle». Nicht so, wie sie einst einer war und in ihrer Kindheit und Jugend nur gequält wurde. Ab 15 musste sie sich beinallein durchs harte Leben schlagen – und schaffte es schliesslich doch. Kam out und hielt mit ihrer Konica die Zürcher Regenbogenfamilie in der Barfüsser-Bar fest. Das war zwischen 1963 und 1970, als sich die meisten Frauen, die Frauen liebten, und Männer, die Männer liebten, noch verstecken mussten. Weil sie verfolgt und diskriminiert wurden. Entstanden ist ein einmaliges Zeitdokument schwul-lesbisch-bisexueller Lebensfreude, bevor es diese Schubladisierungen überhaupt gab. Auch dank der grossartigen Liva Tresch geht’s also vorwärts: Sind das nicht Good News? Oder trag ich eine rosarote Brille?
Hat Merkel nicht in Moskau studiert?