Wirtschaftsaufschwung: Viele Firmen schreiben wieder Gewinne
SGB fordert 2 Prozent mehr Lohn für 2022

Weniger Dividenden für die Aktionäre, mehr Lohn für die Mitarbeitenden: Dies fordert der Schweizerische Gewerkschaftsbund – mit guten Gründen.

MEHR LEISTEN FÜR DEN GLEICHEN LOHN: Seit mehr als fünf Jahren treten die Löhne an Ort, obwohl die Arbeitnehmenden mehr und besser gearbeitet haben. (Grafik: SGB)

Die Kurve sagt alles: Seit mehr als fünf Jahren treten die Löhne an Ort (siehe Grafik). Es gab kaum Lohnerhöhungen. Gleichzeitig ist die Arbeitsproduktivität klar gestiegen. Das heisst nichts anderes, als dass die Arbeitnehmenden in all den Jahren mehr und besser gearbeitet, aber den Lohn dafür nicht erhalten haben. Den steckten nämlich Management und Aktionariat in Form von Boni und Dividenden in die eigene Tasche. Allen voran die Blocher-Töchter, die sich sogar mehr Dividenden auszahlen als Löhne im Betrieb der Ems-Chemie.

Schluss damit, sagt jetzt der Gewerkschaftsbund. Präsident Pierre-Yves Maillard: «Es braucht für nächstes Jahr eine spürbare Lohn­erhöhung und damit mehr Kaufkraft.» Die Arbeitnehmenden in allen Branchen hätten in der Pandemie viel geleistet, aber nicht die ­geringste Anerkennung beim Lohn erhalten. Jetzt sei eine Lohnanpassung zwingend. Auf den Punkt gebracht: Wer viel leistet, muss dies auch im Portemonnaie spüren. Die Vorzeichen dafür stehen gut. Mit Ausnahme von Gastronomie, Luftfahrt und Teilen des Kultursektors arbeiten praktisch alle Wirtschaftszweige wieder auf Vor-Corona-Niveau. Die Auftragsbücher sind voll. SGB-Chefökonom Daniel Lampart: «Die Firmen schreiben wieder Gewinne, von der Industrie über den Bau bis zum Detailhandel und den Banken.» Der Aufschwung ist da. Dabei ist die Schweizer Wirtschaft viel besser als andere durch die Krise gekommen. Dies dank Kurzarbeit, Krisenmassnahmen und Konjunkturpaketen, die von den Gewerkschaften gegen den Widerstand der Rechten durchgesetzt wurden.

«Die Firmen schreiben wieder
Gewinne, von der Industrie über
den Bau bis zum Detailhandel.»

TEUERUNGSAUSGLEICH

Der SGB fordert mindestens 2 Prozent oder 100 Franken mehr Lohn für 2022. 1 Prozent sind nur schon wegen der Teuerung zwingend. Diese hat in letzter Zeit wieder angezogen und beträgt derzeit etwa 1 Prozent. Wird sie nicht ausgeglichen, droht ein Reallohnverlust. Wichtig für den SGB ist aber auch, dass der jahrelange Lohnstau ein Ende hat. Die Reallöhne wurden seit 2017/18 nicht erhöht, während gleichzeitig die Erträge der Firmen stiegen – und auch jetzt weiter ansteigen. An diesem Aufschwung müssen die Arbeitnehmenden teilhaben, fordert SGB-Chef Maillard.

Deutliche Korrekturen sind bei den Mindestlöhnen in den Gesamtarbeitsverträgen fällig. Diese geraten ohne Erhöhung gegenüber den Effektivlöhnen immer mehr in Rückstand. Laut Daniel Lampart funktioniert der Schutz gegen Dumping je weniger, je mehr die Mindest- und Effektivlöhne auseinanderklaffen. Im Mittel stiegen die Minimallöhne zwischen 2010 und 2020 um 0,2 Prozentpunkte weniger stark pro Jahr. Unia-Chefin Vania Alleva peilt vor allem den Detailhandel an. Dieser komme gestärkt aus der Krise. «Jetzt sind die Arbeitnehmenden an der Reihe», meint sie mit Blick auf den Lohn-Nachholbedarf bei Migros, Coop, Denner und Co.

MINDESTENS 4000 FRANKEN

Künftig soll es keine Löhne unter 4000 Franken pro Monat mehr geben. Und Alleva will speziell für die auch während der Pandemie hart arbeitenden Bauleute generell 100 Franken mehr Lohn. Das Geld für den Zustupf ist vorhanden: «Die Baukonjunktur ist wieder auf einem Höchstniveau.» Nachholbedarf bestehe aber auch im Ausbaugewerbe, in der Sicherheitsbranche sowie im Coiffeurgewerbe, wo es bis heute noch keinen 13. Monatslohn gibt.

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