work-Kommentar:
Der tiefe Fall des Matteo Salvini

work-Autor Oliver Fahrni über die Lokalwahlen in Italien.

Oliver Fahrni, Frankreich-Korrespondent work

Der Plan stand: Bald würde der Rechtsextremist und Lega-Nord-Führer Matteo Salvini die Macht in Rom übernehmen. Seine Propagandamaschine, «die Bestie» genannt, spie Gift und Galle im Akkord. Sie füttert Millionen Anhängerinnen und Anhänger auf den sozialen Medien stündlich mit Hass gegen Flüchtlinge und sozial Benachteiligte, gegen Frauen, Gewerkschaften, Linke, Seenotretter, Schwule, EU und «Eliten». Das verfing: In den Umfragen lag Salvinis Lega als stärkste politische Kraft Italiens mit über 30 Prozent weit vor allen andern. Zusammen mit dem alten Polit-Gangster Silvio Berlusconi schien ihm die absolute Mehrheit sicher.

SALVINI FRISST KREIDE. Das war vor elf Monaten. Dann kam, im Januar 2021, Mario Draghi. Der Ex-Banker (Goldman-Sachs) hatte als Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) zuerst Griechenlands Linke zerstört, dann Italien unter die neoliberale Fuchtel gezwungen. Er soll das Land nun aus Covid und Wirtschaftskrise führen.

Dafür hat ihm die EU viele Milliarden zugesagt. Sie waren Draghis Hebel, um alle Parteien in eine grosse Koalition zu nötigen – von den Sozialdemokraten (PD) über Berlu­sconi und die Fünf­sterne-Bewegung bis hin zur Lega. Salvini zierte sich lange, doch die lombardischen Unternehmer, die hinter der Lega die Fäden ziehen und auf Draghis neoliberale Reformen setzen, befahlen: «Kreide fressen!»

Nur die Neofaschisten um Giorgia Meloni blieben aussen vor. Dieser irre Haufen von Demokratiehassern, Rassistinnen, Antisemiten und Mussolini-Nostalgikern hat seither das Monopol der Opposition. Versammelt um eine Chefin, die das abstruse Gedankengut schreiend, aber medienwirksam auf alle Bildschirme trägt.

Die Städte Turin, Mailand, Neapel und Bologna gehen an die Linke.

LETTA TRIUMPHIERT. Salvinis Plan sah vor, nach einem blitzenden Sieg bei den Gemeindewahlen vorgezogene Parlamentswahlen durchzusetzen. Doch die Lega machte brutta figura, eine miserable Falle – es wurde eine krachende Niederlage. Mailand, Neapel, Bologna, Turin gingen an die Linke. Sogar in Rom, der Heruntergekommenen, gewann ein früherer Minister des sozialliberalen Partito Democratico (PD). Auch die Fünfsterne-Bewegung, die Rom und Turin regiert hatte, ging unter.

PD-Chef und Wahlsieger Enrico Letta, der erst im Frühjahr seinen Job als Dekan einer Pariser Elite-Uni an den Nagel gehängt hatte, «um dem PD einen Zerfall wie jenen der französischen Sozialisten zu ersparen», blieb im ­Triumph bescheiden. Er weiss, dass die Faschistin Meloni, die sich selbst schon als künftige Regierungschefin Italiens bezeichnet, die politische Konfrontation im Lande nun radikalisieren wird. Lettas grösstes Problem aber heisst Draghi: Wie lange noch kann er dessen neoliberalen Umbau mittragen?

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