Fritz-Platten-Ausstellung: Aufstieg, Fall und Ende eines Schweizer Revolutionärs

Was geschah mit Kommunist Fritz Platten? Sein Sohn forschte nach. Eine Ausstellung in Basel zeigt, was dabei herauskam.

ZUR LINKEN LENINS: Fritz Platten (vorne) neben Lenin am Gründungskongress
der Kommunistischen Internationale am 4. März 1919. (Foto: Ullstein Bild)

Die Ausstellung in der Unibibliothek Basel erzählt gleich zwei Geschichten: die von Fritz Platten und jene ­seines Sohns Fritz Nicolaus, der das väterliche Schicksal recherchierte. Beide Geschichten sind tragisch.

Die eine, weil auch ein glühender Kommunist im Gulag enden konnte. Die andere, weil jemand in einem ­Dickicht aus Schweigen und Lügen die Wahrheit suchte und doch nicht ganz fand.

Ein Stalinist, der dem Stalinismus zum Opfer fiel.

OPFER DES STALINISMUS

Fritz Platten, einer der Anführer des Landesstreiks, war eine schillernde Figur. Als enger Vertrauter Lenins schrieb der frühere Sozialdemokrat und spätere Mitbegründer der Kommunistischen Partei der Schweiz (KPS) Weltgeschichte (siehe Box). Doch als er in den 1930er Jahren in Moskau lebte, war er so unvorsichtig, mit Personen zu sympathisieren, die Stalin im Visier hatte. Das kostete ihn schliesslich das Leben. Dies, obwohl er Stalins berüchtigte Moskauer Schauprozesse von 1936 rechtfertigte, mit ­denen der Diktator seine engsten Weggefährten aus dem Weg räumte. Platten war ein Stalinist, der dem Stalinismus zum Opfer fiel.

1938 wurde Platten unter einem Vorwand zu vier Jahren Lagerhaft verurteilt. Aus dem sibirischen Gulag kehrte er nie mehr zurück. Briefe zeugen davon, dass er bis zuletzt an einen Irrtum der Behörden glaubte und dachte, er werde schon noch begnadigt. Eine Freundin in Moskau bat er um Bouillon, warme Kleidung und ein Deutsch-Wörterbuch.

Wie genau Platten ums Leben kam, wissen wir nicht, da Belege fehlen. Eine Version besagt, dass ihn ein Wachmann bei der Entlassung im Jahr 1942 erschossen habe. Das wusste jedoch Sohn Platten nicht.

Vater Platten hatte seinen zweiten Sohn Fritz Nicolaus bei Pflege­eltern in Zürich zurückgelassen, als er in die Sowjetunion auswanderte. Und der Junior wollte irgendwann wissen, was mit seinem Vater geschehen war. Jahrzehntelang forschte er nach dessen Schicksal. Und lief dabei am Stalinismus auf. Denn die Wahrheit durfte lange nicht ans Licht gelangen. Lügen und Legenden kreisten um Plattens Verbleib. Legenden, die auch die Partei der Arbeit (PdA) unkritisch in der Schweiz verbreitete.

Fritz Platten.

REHABILITIERT

Erst als Stalin 1953 starb, wurde Plattens Tod im Gulag bekannt. Das war für Sohn Fritz Nicolaus ein Schock. Wie sein Vater war auch er ein überzeugter Kommunist gewesen. So überzeugt, dass er als junger Mann sogar die Erschiessung des eigenen Vaters forderte, falls sich herausgestellt hätte, dass er ein «Trotzkist» gewesen wäre. Er bedauerte diese Äusserung später und wandte sich vom Kommunismus ab. Dies, obwohl die Sowjetunion Vater Platten 1956 während der Ära der Entstalinisierung rehabilitierte. Sohn Platten wurde derweil zu einem Abtrünnigen, der sich, so der Vorwurf aus den eigenen Reihen, nur den Bürgerlichen andiene.

In den 1990er Jahren gelang es Fritz Nicolaus Platten schliesslich, Einblick ins Archiv des sowjetischen Geheimdienstes KGB zu erhalten. In der Akte seines Vaters las er von Folter, Erniedrigung und erpressten Geständnissen – die Wahrheit lag nun offen da. Die Basler Ausstellung hat es in sich, es braucht aber etwas Zeit, die zahlreichen Dokumente und Filme anzuschauen.

Auf der Suche nach Fritz Platten. Die Schweiz und der Kommunismus im 20. Jahrhundert. Universitätsbibliothek Basel, bis 14. Januar 2022. Rahmenprogramm mit Vorträgen und Diskussionen siehe Flyer auf www.ub.unibas.ch/de/ausstellungen.

Das war Fritz Platten

Fritz Platten (1883 bis 1942) war wohl der grösste Revolutionär, den die Schweiz je sah: ein überzeugter Kommunist, Anführer im Landesstreik 1918 und ein enger Vertrauter von Lenin. 1917 organisierte er Lenins Rückreise von ­Zürich nach St. Petersburg. Wenig später stürzte das Zarenreich in der ­Oktoberrevolution. Und als 1919 die Kommunistische Internationale ­(Komintern) gegründet wurde, sass Platten gleich neben Lenin. Unter Stalin fand er aber dann den Tod. Jahrzehnte später stieg er in der ­Sowjetunion wieder zur Kultfigur auf. In Filmen erschien er verklärt als Freiheitskämpfer aus dem Lande Wilhelm Tells.

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