work-Kommentar:
So heuchlerisch!

work-Chefredaktorin Marie-Josée Kuhn über die Kampagne gegen die «reiche Unia».

Marie-Josée Kuhn, Chefredaktorin work

Ja, die Unia hat Geld. Hunderte von Millionen Reserven. Und das ist auch gut so, denn nur eine streikfähige Gewerkschaft ist auch eine erfolgreiche Gewerkschaft. Und streiken ist teuer. Der harte Streik der Bähnler in den SBB-Werkstätten in ­Bellinzona 2008 zum Beispiel: Er dauerte 33 Tage und kostete die Unia 1 Million Franken direkte ­Kosten. Mit ihm konnten die Streikenden die geplante Auflösung ihrer Werkstätten verhindern. Das zeigt: Nur eine Gewerkschaft, die Reserven hat, ist auch eine streikfähige Gewerkschaft. Umso mehr, als bestreikte Firmen gerne versuchen, streikführende Gewerkschaften mit einer Schadenersatzklage in die Knie zu zwingen. So geschehen beim Streik bei der Buntmetallherstellerin Swissmetal im jurassischen Recon­vilier. Swissmetal-CEO Martin Hellweg verklagte die Unia 2006 auf 10 Millionen Franken. Die Firma wollte mit der Klage auch eine Grundsatzdebatte über die Legalität von Streiks und die Verantwortung von Gewerkschaften in Arbeitskonflikten lancieren. Doch die Unia liess sich nicht einschüchtern. Musste sich dank ihrem Polster nicht einschüchtern lassen. Irgendwann liess die Firma die Klage sang- und klanglos fallen.

Die Rechten mögen’s einfach nicht, wenn die Linken Geld haben.

UNTERSCHWELLIG GIFTIGES. Nur eine standhafte Gewerkschaft ist auch eine starke Gewerkschaft für ihre Mitglieder. Denn die können mit ­ihrer Hilfe Dinge durchsetzen: Betriebsschliessungen verhindern, Arbeitsplätze retten, Sozialpläne herausholen usw. Dem rasenden Kapitalismus ­einen kleinen Stecken in die Speichen schlagen. Und genau das gefällt den Kapitalisten gar nicht. Genauso wenig wie gewissen ihnen hörigen Journalisten bei «Tages-Anzeiger» und «Blick». Deshalb ­führen die jetzt eine Kampagne gegen die Unia. ­Tenor: Sie sei viel zu reich, und das sei ein Skandal! Viel unterschwellig Giftiges wird da verspritzt. Schliesslich geht es darum, das Image der Unia zu schädigen. Die Rechten mögen’s einfach nicht, wenn die Linken Geld haben. Wenn die schon links sein müssen, dann bitte auch arm! Oder wie es unlängst FDP-Ständerat Ruedi Noser im Abstimmungskampf für die Konzernverantwortungsinitia­tive gegen die linken NGO formulierte: «Alle sollen ihre Meinung sagen, aber bitte nicht mit Millionenbeträgen.» So einfach sind die Rechten gestrickt, wenn es um den Mammon geht. Und so heuchlerisch.

HEUCHLERISCH? Und wie! Wer bodigt denn seit Jahrzehnten alles, was mehr Licht und Transparenz in Politik und Wirtschaft brächte? Von der Offen­legung der Parteienfinanzierung bis zur Offen­legung detaillierter Bilanzen? Genau die gleichen, die jetzt mit spitzem Finger auf die Unia zeigen und ihr Intransparenz vorwerfen. Dabei veröffentlicht «ihr» Think-Tank «Avenir Suisse» nur gerade sechs Kennzahlen (6!) aus seiner Jahresrechnung. Aber das ist offenbar was ganz anderes. Also lässt nun der Freisinn den Bundesrat via Fraktionsvor­stoss hinterhältig fragen: «Wie ist es möglich, dass trotz den strikten regulatorischen Vorgaben Gewerkschaften ein solches Vermögen anhäufen?» Und ­suggeriert unrechtmässige Bereicherung. Während dieselbe Partei nicht halb so hektisch reagiert, wenn es um Blutgeld und Geldwäscherei im grossen Stil geht. Etwa um die Pandora-Papers, die einmal mehr aufzeigen, wie tief die Schweiz im globalen Fluchtgeld- und Steuerhinterziehungssumpf steckt. Da finden sie dann am Geld­wäschereigesetz gar nichts auszusetzen. Das ist nicht logisch, aber eben ideologisch.

Und zum Schluss noch ein wenig Klartext zu jenen, die die Unia in den Kommentarspalten mit allerlei Dreck bewerfen: Nein, die Unia-Präsidentin bezieht kein Abzocker-Honorar. Nein, die Unia knöpft ihren Mitgliedern nicht «­horrende» Beiträge ab. Und nein, die Unia geriert sich nicht als Konzern, auch wenn sie eine Konzernrechnung hat. Das zeigen die Fakten und Zahlen auf den Seiten 10–12, die work zusammengestellt hat.

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