Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
«Wir bauen nicht ab, wir bauen um!» Immer wenn die Briefträgerin an diesen Post-Slogan denkt, kommt ihr in den Sinn, wie ein Bekannter einmal auf einem Flugblatt von der «geschwätzigen Form des Verschweigens» schrieb. Worum es damals ging, weiss die Briefträgerin nicht mehr. Aber die Formulierung blieb unvergessen.
Die Briefträgerin hatte ein dringendes Postgeschäft zu erledigen. Die Agentur, im Quartier in einer speziellen kleinen Buchhandlung installiert, öffnete erst um zehn. Es war jetzt neun und die nächste Poststelle eine Reise weit entfernt. Wobei: Briefmarken, schöne Briefmarken, bräuchte die Briefträgerin ja auch noch – die gibt’s in den Agenturen nicht. Bar einzahlen und Bargeld abheben ist ebenfalls nicht möglich.
Die meisten Briefkästen werden nur noch werktags am Morgen geleert. Standort und Öffnungszeiten der nächstgelegenen Poststelle sind via QR-Code zu ermitteln, sagt ein Hinweis am gelben Kasten. Weh denen, die kein Smartphone haben. Eine Schreibfreundin der Briefträgerin rief erstaunt aus: «Eure Briefeinwürfe wurden bis dato auch am Wochenende geleert? Das ist bei uns in Wien längst nicht mehr so!» – Kein Grund, Beifall zu nicken, sind beide sich einig.
Ist die «Post von morgen» nicht
eher ein Neu- als ein Umbau, Abbau inklusive?
ABBAU INKLUSIVE. Nun, wenn Service public in Zukunft meint, dass die Nutzniessenden der Post alles selber und digital von zu Hause aus machen – wofür sie bestenfalls einen Rabatt bekommen –, dann stimmt die Parole. Oder doch nicht? Handelt es sich bei der «Post von morgen» nicht eher um einen Neu- als um einen Umbau, Abbau inklusive?
Die Poststellenschliessungen sollen bald ein Ende haben. Sagt die Post. Neu will sie zusätzliche Firmen in ihre Räumlichkeiten holen, statt diese zu schliessen. Doch die Poststelle 3000 Bern 13 im Mattenquartier erwischt’s noch. Ein Brockenhaus will die Räume übernehmen und nebenher eine Postagentur betreiben. Wenn das nicht Symbolgehalt hat! Die «physischen» Postdienstleistungen, die Schaltergeschäfte als Antiquität …