Schweizer Anwälte und Treuhänderinnen sind tief in das Offshore-Geschäft verstrickt. Das ist politisch gewollt. Ein kurzes Lehrstück aus jüngeren und jüngsten Zeiten.
INTERNATIONALER BESTSELLER: Jean Ziegler posiert 1990 mit seinem Buch über die Geldwäscherei in der Schweiz. (Foto: Dukas)
Wenn Banken den Verdacht haben, über bei ihnen geführte Konten würden Gelder gewaschen, sind sie verpflichtet, dies zu melden. Das wollten sie lange nicht. Aber schliesslich war der internationale Druck so gross, dass sich auch die Schweizer Finanzindustrie den internationalen Regeln beugen musste. Zumindest ein bisschen. Nachdem Skandal um Skandal aufgeflogen war.
Und nachdem sie den streitbaren Sozialisten Jean Ziegler in den finanziellen Ruin klagen lassen liess. Der heutige Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates und work-Kolumnist hat vor genau 30 Jahren mit dem Buch «Die Schweiz wäscht weisser» wortgewaltig und faktenreich den Schweizer Finanzplatz definitiv als Räuberhöhle entlarvt. Und er nannte Ross und Reiter. Darum wiesen die «Gnomen der Bahnhofstrasse» ihre Vertreter im nationalen Parlament an, die parlamentarische Immunität von Ziegler aufzuheben. Um ihm das Maul zu stopfen. Was ihnen und ihren Nachfolgern zum Glück bis heute nicht gelungen ist.
Erst seit 1997 hat die Schweiz ein eigentliches Geldwäschereigesetz, das einige Male ein wenig angepasst wurde, weil es immer noch zu viele Lücken hatte und weiter hat.
An die Sorgfaltspflichten in Sachen Geldwäscherei müssen sich Anwälte und Treuhänderinnen nicht halten. Vorausgesetzt, sie «beraten» nur bei der Schaffung und dem Betreiben von anonymen Briefkastenfirmen, Trusts und intransparenten Firmenkonstrukten. Und haben keinen Zugriff auf die Konten.
Das Geldwäschereigesetz der Schweiz genügt den
internationalen Anforderungen nicht.
2016 – 2019
Die Panama-Papers zeigen, in welchem Ausmass die «Berater» Superreichen, Despoten und Gangstern dabei helfen, ihre Gelder vor dem Fiskus und/oder der Justiz zu verstecken (siehe Artikel rechts). Nach den Panama-Papers rügte die internationale Geldwäschereibehörde Financial Action Taskforce (FATF) die Schweiz und verlangte unter anderem, die Lücke bei der Aufsicht von Anwälten zu stopfen. Der Bundesrat liess eine neue Revision des Geldwäschereigesetzes (GwG) ausarbeiten. Diese stiess in ihrer Harmlosigkeit sogar bei der Bankiervereinigung und der FDP auf Zustimmung. Vorerst.
Frühling 2020
Das revidierte GwG kommt zum ersten Mal in den Nationalrat – und die reichlich vertretenen Anwälte drehen auf und durch. Der Genfer Anwalt Vincent Maitre (Mitte) sagt: «Unser aktuelles System funktioniert nicht nur perfekt, es ist für die Bekämpfung der Geldwäscherei sogar ein Vorbild für die internationale Gemeinschaft.» Der Nationalrat trat nicht auf das Geschäft ein. Weil es den Linken zu schwach war. Und die SVP gar keinen Handlungsbedarf sah.
Herbst 2020
Der Ständerat erhört die Anwälte und Treuhänderinnen und befreit sie von den Sorgfaltspflichten des Geldwäschereigesetzes. Panama-Papers? War das was? Ein kleiner Zwischenfall, ein paar Einzelfälle. Oder wie es der Walliser Anwalt Beat Rieder (Mitte) sagte: «Es ist nicht einzusehen, weshalb wir unser quasi lückendichtes Regulierungsmodell verlassen sollten.» Und: die Schweiz sei ein «Musterknabe der Geldwäschereibekämpfung».
Frühling 2021
Nachdem die Banken durchgegeben hatten, sie hätten – aus Imagegründen – doch lieber diese Kaum-Reform als gar keine, folgten die Rechten im Nationalrat dem Ständerat und stimmten zu. Damit bleibt für Anwältinnen und Treuhänder alles beim Alten. Vorläufig jedenfalls. Denn das Schweizer Geldwäschereigesetz genügt den internationalen Anforderungen nicht. Das weiss auch SVP-Bundesrat Ueli Maurer: «Wenn Sie die Berater herausbrechen, so wie das die Mehrheit will, dann kommen wir wieder damit, das kann ich Ihnen jetzt schon versichern.»
Herbst 2022
Die Pandora-Papers beherrschen die Schlagzeilen. Wieder mit Schweizer Anwälten und Treuhänderinnen und internationalen Verbrechern, Potentaten und Steuerhinterziehern. Und was sagt der Walliser Anwalt Beat Rieder jetzt: «Ich gehe davon aus, dass es sich um Einzelfälle handelt.»
Die Schweiz wäscht halt doch weiss – immer wieder und immer noch.