In der Schweiz gingen über 12’000 Lohnabhängige aus allen Branchen auf die Strasse. Sie verlangen mehr Lohn, Respekt, Solidarität. Der Protest gegen die Corona-Gewinnler war mächtig, musikalisch, laut und entschlossen. Und erst der Anfang!
STRASSEN-OFFICE STATT HOME-OFFICE: Trotz Corona mussten die Baubüezerinnen und -büezer weiterchrampfen. Jetzt muss dieser Sondereffort honoriert werden. (Foto: Severin Nowacki)
Ob auf dem Bau, im Verkauf, in der Logistik oder in der Pflege: Die Lohnabhängigen haben die Coronakrise mit voller Macht zu spüren bekommen. Mehr Arbeit unter erschwerten Bedingungen. Überstunden. Teilweise fehlende Schutzmassnahmen. Und jetzt wollen die Chefs auch noch beim Lohn klemmen. Trotz Rekordumsätzen, berstend vollen Auftragsbüchern und guten Konjunkturaussichten. Doch die Arbeitenden wehren sich. Und wie!
Am meisten Zulauf hatte der Aufmarsch in der Hauptstadt: 5000 Pflegende aus der ganzen Schweiz waren angereist. «Notruef – Pflegebruef», schallte es durch Berns Gassen. Die Forderung: mehr Personal, Lohn und ein deutliches Ja zur Pflege-Initiative.
In Bellinzona, Genf, Olten und Zürich gingen Berufsleute aus allen Branchen auf die Strasse. Besonders sichtbar waren die Bauleute. Ihre Chefs verweigern erneut jede generelle Lohnerhöhung – obwohl es der Branche gut bis sehr gut geht. Ebenfalls nicht anerkennen will der Schweizerische Baumeisterverband (SBV), dass die Büezerinnen und Büezer auch mitten im Corona-Chaos stets Vollgas gaben. Und dass sie dabei ihre Gesundheit aufs Spiel setzen mussten. Der SBV nimmt’s schlicht als Selbstverständlichkeit. Und liebäugelt zum Dank mit dem vertragslosen Zustand. Würde sich der Verband mit seiner Geizhaltung durchsetzen, liefe das auf einen Reallohnverlust hinaus.
Auch 2022 werden die Konsumentenpreise steigen – laut Bundesprognose um 0,8 Prozent. Damit gingen auch die restlichen Lohnabhängigen leer aus. Laut einer UBS-Umfrage wollen Schweizer Firmen ihre Löhne nämlich durchschnittlich bloss um 0,8 Prozent anheben. Abzüglich der Teuerung ergibt das: ein goldiges Nüteli. Das werden sich die Arbeitnehmenden nicht gefallen lassen. Die Demos vom 30. Oktober waren erst der Anfang.
work war dabei und hat sich umgehört:
(Foto: Nicolas Zonvi)
Angelo Rocha (27), Velomechaniker (links), und Ricardo Laginha (33), Musiker und Chauffeur:
«Was für eine lebhafte Demo!» Und top organisiert sei sie auch noch, findet Laginha. Da sei es eine wahre Freude, das Ganze musikalisch zu begleiten. Ganze zwei Stunden lang gab der Badener Troubadour portugiesische Volkslieder zum besten – kräftig unterstützt von seinem Kumpel Angelo Rocha. Der sagt: «Es ist wichtig, für seine Würde auf die Strasse zu gehen. Denn je tiefer der Lohn, desto schneller wirst du missachtet!»
(Foto: Nicolas Zonvi)
Tito Pilla (61), frisch pensionierter Kranführer:
«Wir müssen klarmachen, dass die Meister so nicht mit uns umspringen können.» Etwas Neues sind die Drohgebärden des SBV für Pilla aber nicht. Seit er vor 30 Jahren aus dem Benevento (IT) nach Winterthur kam, hat er bei kaum einer Gewerkschaftsaktion gefehlt. Stolz ist er besonders auf die Errungenschaft der Frührente, von der er jetzt profitiert: «Ich geniesse es in vollen Zügen!» Was aber, wenn der SBV stur bleibt? Dann wäre auch Pilla wieder am Start, denn: «Das bedeutet Streik!»
(Foto: Nicolas Zonvi)
Philipp Eberli (17) mit Vater Hans (55), beide Elektromonteure:
«Mein Beruf ist super, doch die Verhältnisse sind es gar nicht!» Das sagt Elektromonteur-Stift Philipp Eberli aus Bürglen TG. Aus seiner zwanzigköpfigen Berufsschulklasse würden neben ihm bloss drei andere eine Weiterbildung planen. Weitere fünf Kollegen warteten einfach ab. Der grosse Rest aber habe sich längst nach etwas Besserem umgeschaut. Eberli ist daher überzeugt: «Ein besserer Lohn ist mehr als eine Frage der Gerechtigkeit.» Da weiss er den Vater ganz hinter sich. Hans Eberli sagt: «Es ist wichtig, dass auch wir Stromer stärker zusammenhalten.» Anders als etwa bei den Maurern seien im Elektrogewerbe noch viele «eher vom Typus Eigenbrötler».
(Foto: Nicolas Zonvi)
Roberto Galati (58), Maurer:
«Mieten und Krankenkassenprämien steigen ständig, aber unser Zahltag kommt nicht vom Fleck.» Galati weiss, wovon er spricht. Schon seit 1988 lebt der Kalabrier in der Schweiz – und er hat gerechnet: «Heute bleibt mir am Monatsende weniger als noch vor zehn Jahren!» Dabei arbeite er immer öfter «come un ciuco» – wie ein Esel!
(Foto: Nicolas Zonvi)
Nikola Kralova (22), Schreinerin:
«Eigentlich habe ich ja Geburtstag, doch heute müssen wir für das Schreinergewerbe kämpfen!» Es sei nämlich höchste Zeit, dass die Branche aufhöre, «um den heissen Brei herumzureden». Es brauche dringend wieder einen Gesamtarbeitsvertrag. Doch mit Platzkundgebungen erreiche man das nicht. «Deshalb ist es super, dass die Unia endlich wieder etwas Grösseres macht!»
(Foto: Nicolas Zonvi)
Nelson «Jackson» Martins, (37), Maurer und Tiktok-Star:
«Ich bin fix und fertig! Morgen gönn’ ich mir eine Runde Wellness in Leukerbad!» So das Demo-Fazit von Nelson «Jackson» Martins, dem «tanzenden Bauarbeiter» und Internetstar aus Meilen ZH. Kein Wunder! Schon vor Marschbeginn kam Tanzbär Jackson in die Gänge. Auslöser war Michael Jacksons Megahit «Thriller». Kaum dröhnte das Stück aus den Boxen, sprang «Jackson» auf das Demo-Mobil. Und heizte von dort aus dem Publikum ein – mit heissen Hüftschwüngen und coolen «Moonwalks» – fast drei Stunden lang!
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