Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
Die Postangestellten erhielten von ihrem Duzfreund und Postchef Roberto Cirillo eine Weihnachtskarte, worin er für das Engagement dankt, seiner Freude über den gemeinsamen Weg zur «Post von morgen» Ausdruck verleiht und alles Gute wünscht. Das Deckblatt zeigt einen «Vintage»-Adventskalender. Als die Briefträgerin am 11. endlich ein Törli öffnen will, stellt sich heraus, dass der Kalender alles andere als Vintage ist. Sondern ein weiterer Beweis dafür, dass die Post nach morgen unterwegs ist.
Sammelgiganten als Hüter der offiziellen Schweizer Daten?
SCANNEN. Der Kalender muss gescannt werden, damit die Fensterchen sich öffnen. Die Briefträgerin besitzt kein Smartphone. Sie aktiviert deshalb die Post-App auf ihrem Postscanner. Wie von Geisterhand bewegt, öffnet sich das Türchen Nummer elf, eine Kaderfrau der Post erscheint, erzählt von sich, wünscht alles Gute, und das Türchen schliesst sich. Am 12. berichtet der Leiter einer Distributionsbasis von den Höhepunkten seines Jahres und verbleibt ebenfalls mit den besten Wünschen.
Der aktuelle Digitalisierungsschub ist umfassend. Wer will, kann sich hier und dort verweigern oder Sand im Getriebe sein – ach nein, dieses Bild stammt aus dem mechanischen Zeitalter, also: sich der allgegenwärtigen Datensammelwut widersetzen. Und Mitleid ernten. Maschinenstürmerei sei sinnlos. Sie habe vor zweihundert Jahren nichts gebracht und bringe heute nichts. Der Fortschritt lasse sich nicht aufhalten. Nur, was ist Fortschritt? Wem nützt er? War die Maschinenstürmerei zu Beginn der Industrialisierung nicht allein schon als Ausdruck des Mitgestaltungswillens der arbeitenden Bevölkerung wichtig?
GLOBALE WOLKE. Aber vielleicht ist es doch gut, dass die «Post von morgen» vorne mit dabei sein will. Denn einem Syndicom-Dossier entnahm die Briefträgerin, dass die Schweiz keine eigene Cloud für die Daten der öffentlichen Verwaltung habe entwickeln lassen. Stattdessen übergebe sie diese nun vier US-Firmen (unter anderem Amazon) sowie dem chinesischen Anbieter Alibaba. Globale Sammelgiganten als Hüter der offiziellen Schweizer Daten? Die Briefträgerin traute ihren erschrockenen Augen nicht, als sie das las.