Das Motto der meisten Wirtschaftsverbände: für die Frauen die Büez, für die Männer die Macht.
MÄNNERRIEGE: Casimir Platzer (ganz rechts) präsidiert den Herren-Vorstand von Gastrosuisse. Muriel Hauser und Esther Friedli (v. l.) bringen die Frauenquote gerade mal auf 22 Prozent, obwohl in der Branche viel mehr Frauen arbeiten als Männer. (Foto: Gastrosuisse)
Beinahe hätten die Delegierten von Hotelleriesuisse, dem Arbeitgeberverband der Hotelbranche, eine Frauenquote eingeführt. Die Chefin der Schweizer Jugendherbergen, Janine Bunte, hatte sich an der DV für die Quote starkgemacht: Mindestens 40 Prozent Frauen sollten in der Verbandsleitung sein. Und das bis in fünf Jahren. Nicht gerade eine hitzige Forderung. Eine Mehrheit war zwar dafür, doch die nötige Zweidrittelmehrheit kam nicht zustande. Jetzt bleiben die Frauen im Hotelverband weiterhin krass untervertreten: Sowohl in der 5köpfigen Geschäftsleitung als auch in der 7köpfigen Verbandsleitung unter Präsident Andreas Züllig sitzt gerade mal eine Frau, obwohl in den Schweizer Hotels mehrheitlich Frauen arbeiten.
Männerdominanz statt Branchenrealität: die Arbeitgeberverbände.
2 : 7 BEI GASTROSUISSE
Hotelleriesuisse bleibt damit ein Spiegel der Männerdominanz statt ein Abbild der Branchenrealität. Der Verband steht aber keineswegs allein da. Die krasse Untervertretung von Frauen ist bei den meisten Wirtschaftsverbänden gang und gäbe. work hat nachgeschaut. Überall bietet sich dasselbe trübe Bild: Frauen sind zwar für die Knochenarbeit auf den Geschäftsstellen gefragt. Geht’s aber um Macht und Prestige in den Vorständen, bleiben sie aussen vor.
Da ist der mächtige Versicherungsverband SVV: In der Geschäftsleitung (GL) arbeiten 42 Fachleute, davon mehr als die Hälfte Frauen, nämlich 23. Im 14köpfigen Vorstand unter dem SVP-lastigen Präsidenten Rolf Dörig regiert jedoch eine Männerriege mit bloss zwei Frauen. Dasselbe im Textilverband Swisstextiles: Im 13köpfigen GL-Team sind zehn weiblich. Doch im 7köpfigen Vorstand entscheidet gerade mal eine einzige Frau mit. Auch bei Gastrosuisse regiert das Patriarchat. Obwohl es viele erfolgreiche Wirtinnen gibt, haben diese im Verband wenig bis nichts zu melden. In der GL sind die Männer gar ganz unter sich. Und am Tisch von Präsident und Dauer-Stänkerer Casimir Platzer sitzen neben sieben Kollegen ganze zwei Frauen. Eine davon die SVP-Nationalrätin Esther Friedli, die im Restaurant Haus der Heimat mit SVP-Toni Brunner wirtet.
VORZEIGEVERBAND KIBESUISSE
Allpura, der Verband der Reinigungsfirmen, hat mit Karin Funk zwar eine Geschäftsführerin. Aber in den Zentralvorstand hat’s noch keine Frau geschafft. Dies, obwohl die Reinigungsbranche von Frauen dominiert wird. Ähnlich bei Curaviva, dem Verband der Heime und Institutionen: Im Vorstand blicken zwei Frauen auf elf Männer. Wäre das weibliche Geschlecht gemäss seiner tatsächlichen Bedeutung repräsentiert, müsste es genau umgekehrt sein. Es gibt indes auch Lichtblicke. So bei Kibesuisse, dem Verband der Kitas. Hier geben operativ und strategisch Fachfrauen den Ton an. In der GL und im Vorstand sitzt jeweils nur ein einziger (Quoten-)Mann. Beim Spitexverband dominieren zwar in der Geschäftsleitung die Frauen. Im Vorstand bringen sie es aber nur auf eine Quote von 40 Prozent, obwohl fast nur Frauen in der Spitex arbeiten. Als Sonderfall darf der Spitalverband H+ gelten. Er hat mit Anne-Geneviève Bütikofer eine Direktorin und mit FDP-Nationalrätin Isabelle Moret auch eine Präsidentin. Doch diese hat im 11köpfigen Männer-Vorstand gerade mal zwei Kolleginnen. Gleich mager sieht es im Detailhandelsverband Swiss Retail Federation (ohne Migros, Coop und Denner) aus. Zwar führt dort Direktorin Dagmar T. Jenni die Regie, und FDP-Nationalrätin Christa Markwalder ist als Präsidentin das Aushängeschild. Doch neben Markwalder gibt es im 13köpfigen Vorstand nur eine Frau, nämlich Nicole Loeb vom gleichnamigen Berner Warenhaus.
VERLEGER: FRAUENQUOTE NULL
Gewisse Verbände fallen durch ihre patriarchale Dominanz besonders negativ auf. Etwa die Personaldienstleister von Swissstaffing (11 Vorstandsmitglieder, eine Frau), die Maschinenindustrie Swissmem (3 Frauen von 43 Vorstandsmitgliedern) oder der Brauereiverband (eine Frau unter 11 Männern). Diese Macho-Bastionen werden nur noch von drei Verbänden mit gänzlich ungebrochener Männerherrschaft getoppt: Im Baumeister-, im Verleger- und im Verband der Elektroinstallateure sind die Krawattenträger vollkommen unter sich – Frauenquote null!
Wie lange noch? Börsenkotierte Firmen müssen neu einen gesetzlichen Frauenanteil einhalten (siehe Text unten). Doch Wirtschaftsverbände nicht. So kann der Arbeitgeberverband unter Valentin Vogt weiterhin gegen Frauenquoten lobbyieren. Damit sich auch bei ihm selbst wenig ändert: Sein Vorstand besteht aus 63 Personen, nur gerade 10 davon sind Frauen.
Frauen in den Unternehmen: 114 Verwaltungsrätinnen gesucht
Wie zäh Männernetzwerke sind, zeigt alljährlich der Schillingreport. Er untersucht die Vertretung von Frauen in den Unternehmen. Danach erreichte der Frauenanteil in den Geschäftsleitungen der 100 grössten Firmen im vergangenen Jahr erstmals die Marke von 10 Prozent. Erstmals! Vorher lag er noch tiefer. Der Anteil steigt nur langsam an. Geht es im selben Tempo weiter, dauert es etwa 50 Jahre bis zur Parität der Geschlechter. Das hat eine neue Studie («Gender Intelligence Report 2021») der Universität St. Gallen errechnet.
Sandra Jauslin, Vizepräsidentin der Business Professional Women (BPW), sagt: «Es braucht einen Kulturwandel auf allen Etagen.» Ihre Botschaft an die Frauen: «Traut euch!» Frauen müssten jetzt die Chancen packen. In den nächsten Jahren sind 114 Verwaltungsrätinnen gesucht. Das neue Aktienrecht verlangt nämlich, dass in den Verwaltungsräten der börsenkotierten Firmen mit Sitz in der Schweiz bis 2026 neu 30 Prozent und in den Geschäftsleitungen 20 Prozent Frauen sein sollen. Sanktionen sind keine vorgesehen.
WIRTSCHAFT BREMST. Frauenquoten könnten helfen. Doch die Unternehmen wehren sich seit je gegen verbindliche Quoten. O-Ton Arbeitgeberverband: «Das ist ein zu massiver Eingriff in den Rekrutierungsprozess.» Der Verband wollte auch die erwähnte Aktienrechtsrevision verhindern. Unter anderem mit dem Argument, die Wirtschaft fördere Frauen bereits. Aber eben bloss im Schneckentempo. Gemäss HSG-Report sind immer noch 83 Prozent aller Stellen im Topmanagement durch Männer besetzt. Dabei wächst die Zahl von bestqualifizierten Frauen Jahr um Jahr. Der St. Galler Report: «Wie lange wollen wir es uns noch leisten, diesen Pool ungenutzt zu lassen?»