Sie soll der Auftakt zur Abschaffung aller Abgaben auf Finanztransaktionen sein: die Emissionsabgabe. Und wieder holt die Grossfinanz die KMU-Keule raus. Die offiziellen Zahlen des Bundes entlarven sie.
KLING LANGWEILIG, IST ABER WICHTIG: Wird die Stempesteuer abgeschafft, gehen 2,2 Milliarden Franken an Steuereinnahmen verloren. (Bild: SGB)
Die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sind das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft: der Coiffeur und die Wirtin, der Baumeister und die Tech-Unternehmerin, der Spengler und die Malerin. Von den um die 601’000 Firmen in der Schweiz sind rund 599’000 KMU: ungefähr 540’000 Mikrounternehmen mit 1 bis 9 Beschäftigten, 51’000 kleine Unternehmen (10 – 49 Beschäftigte) und 9000 mittlere Unternehmen (50 – 249 Beschäftigte). Sie sind den Schweizerinnen und Schweizern auch darum grundsätzlich sympathisch, weil rund zwei Drittel der Beschäftigten bei einem KMU arbeiten. Unsympathisch sind der grossen Mehrheit in diesem Land die grosse Mehrheit der rund 1700 Multis, Banken und Versicherungskonzerne.
Darum missbrauchen diese bei Geschäften, von denen in erster Linie sie und ihr Aktionariat profitieren, regelmässig das positive Image der KMU. Gerne auch mal mit einer glatten Lüge. Wie etwa bei der Unternehmenssteuerreform II. Bei dieser ging es laut dem damaligen FDP-Finanzminister und ehemaligen UBS-Angestellten Hans-Rudolf Merz um Steuerausfälle von 80 Millionen, die der Metzgerin und dem Garagisten zugute kämen. Eine dreiste Unwahrheit, wie später sogar das Bundesgericht feststellte – ohne jedoch die Abstimmung wiederholen zu lassen. Unterdessen sind der Allgemeinheit durch diese Unternehmenssteuerreform Hunderte von Millionen verloren gegangen, die unversteuert in den Taschen der Superreichen verschwanden.
«Nutzniesser wären in erster
Linie bei den multinationalen Unternehmen, den Banken, Versicherungen und Holdinggesellschaften zu suchen, nicht aber bei den KMU.»
ERST DER ANFANG
Auch die Abschaffung der sogenannten Stempelsteuern ist ein langgehegtes Anliegen der Finanzindustrie. Stempelabgaben sind Steuern auf die Ausgabe und den Handel mit Wertschriften. Sie sind auch ein Ersatz dafür, dass diese Geschäfte von der Mehrwertsteuer befreit sind. Der Bund kennt drei Arten von Stempelabgaben: 1. die Emissionsabgabe (wer eine Firma mit mehr als 999’999 Franken Eigenkapital gründet oder das Aktienkapital einer bestehenden Firma um mehr als 999’999 Franken erhöht, muss die Emissionsabgabe von 1 Prozent bezahlen; bei Sanierungen gilt gar ein Grenzwert von 10’000’000 Franken), 2. die Umsatzabgabe auf Wertpapieren und 3. die Abgabe auf Versicherungsprämien. Zusammen tragen sie pro Jahr 2,2 Milliarden Franken an den Bundeshaushalt bei. Weil es in diversen Anläufen bis jetzt nicht gelungen ist, die Stempelabgaben gänzlich abzuschaffen, haben die bürgerlichen Parlamentsmehrheiten sie immer wieder reduziert: seit 1993 um 800 Millionen Franken pro Jahr. Und jetzt wollen sie – mitten in der Coronakrise – den ersten Teil ganz abschaffen: die Emissionsabgabe. Angeblich, um die pandemiegeschüttelten KMU zu entlasten.
ECHTE KMU PROFITIEREN NICHT
Doch das ist hochgradiger Unfug. Und wurde sogar von Ex-Finanzminister Merz bestätigt. Der FDP-Bundesrat sagte am 10. Juni 2005 wörtlich: «Die Nutzniesser (einer Abschaffung, die Red.) wären in erster Linie bei den multinationalen Unternehmen, den Banken, Versicherungen und Holdinggesellschaften zu suchen, nicht aber bei den KMU.»
Das stimmte vor 17 Jahren, und es stimmt auch heute noch.
- 2018: 57 Konzerne und ihr Aktionariat (mit einer Eigenkapitalerhöhung über 50 Millionen) hätten 68,8 Prozent des Steuergeschenks erhalten.
- 2019: 62 Konzerne und ihr Aktionariat hätten 60 Prozent des Steuergeschenks erhalten.
- 2020: 55 Konzerne und ihr Aktionariat hätten 51,5 Prozent des Steuergeschenks erhalten.
Das ist nicht weiter erstaunlich. Denn schon heute muss bei Firmengründungen und bei Kapitalerhöhungen unter 1 Million Franken keine Emmissionsabgabe bezahlt werden. Muss eine Firma saniert werden, gilt sogar eine Freigrenze von 10 Millionen.
Wie wenig die KMU-Keule auch dieses Mal verhebt, zeigen auch die Zahlen nach Kantonen aus der Steuerstatistik (siehe Text zur Karte unten).