Hans Baumann ist Ökonom und Publizist.
Die kürzlich veröffentlichten Zahlen der Steuerverwaltung für 2018 zeigen einen steilen Anstieg der höchsten Vermögen in der Schweiz. Das reichste Prozent der Steuerzahlenden besass Anfang der 1990er Jahre 30 Prozent aller Vermögen, was im internationalen Vergleich schon damals ein Spitzenwert war. Bis 2018 ist dieser Anteil auf fast 45 Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass die Wohlhabendsten ihren Anteil am Gesamtvermögen innert knapp dreier Jahrzehnte um 50 Prozent steigern konnten. Auch im Ländervergleich heben die Schweizer Reichen ab. Selbst in den Vereinigten Staaten, die eine ähnlich ungleiche Vermögensverteilung aufweisen, betrug der Anstieg seit 1990 «nur» 35 Prozent.
(Quelle: ESTV, Gesamtschweizerische Vermögensstatistik (ohne Berücksichtigung der BVG-Ersparnisse), World Inequality Data WID.)
REKORD-ZUWACHS. Ganz anders sieht es am anderen Ende der Wohlstandsverteilung aus. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung besass 2018 nach wie vor nur 1,3 Prozent des Gesamtvermögens, sogar etwas weniger als 1990. In absoluten Zahlen: Gegen drei Millionen Steuerpflichtige verfügten über ein Vermögen von etwa 28 Milliarden Franken. Die 80 000 Reichsten in der Schweiz versteuerten hingegen rund 970 Milliarden Franken! Auch nach 2018, also während der Coronajahre, ist die Verteilung ungleicher geworden. Gemäss Weltbank konnten die 10 reichsten Männer der Welt ihr Vermögen seit Beginn der Pandemie sogar verdoppeln. Auch in der Schweiz konnten die 300 reichsten Personen ihr Vermögen im Coronajahr 2021 deutlich steigern, nämlich gleich um 115 Milliarden Franken. Das war der höchste jährliche Zuwachs seit Einführung des «Bilanz»-Rankings im Jahr 1989.
MEINUNGSMACHER. Die zunehmende Ungleichheit beim Vermögen ist ein wirtschaftliches und soziales Problem, weil immer mehr Vermögen dort angelegt werden, wo am meisten Rendite winkt, anstatt dort, wo tatsächliche Bedürfnisse vorhanden sind. Aber auch politisch kann diese Ungleichheit grosse Machtverschiebungen bewirken und demokratische Entscheide in Frage stellen. Einen kleinen Vorgeschmack dazu haben wir in der Schweiz anlässlich der Volksabstimmungen vom 28. November 2021 bekommen. Die Propagandamaschinerie für die «Justizinitiative» und gegen das Covid-19-Gesetz wurde zum grössten Teil von drei Superreichen finanziert, dem Unternehmer Adrian Gasser und den Milliardärinnen Simone Wietlisbach und Rahel Blocher.
Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind diesmal zwar nicht auf deren Abstimmungskampagnen hereingefallen. Aber wie lange kann das noch gutgehen? Bei knappem Ausgang kann der finanzielle Einsatz einzelner Superreicher durchaus entscheidend sein. Es ist deshalb für das Funktionieren unseres demokratischen Systems nötig, die immer mehr auseinanderklaffende Schere bei der Vermögensverteilung wieder zu schliessen. Sonst laufen wir Gefahr, dass reiche Familien und Unternehmen das demokratische System aushebeln.