Laborantin Maude Brunner: «Fortgeworfen wird nichts»

Mit 14 Jahren machte sie zum ersten Mal Käse. Heute arbeitet Maude Brunner als Laborantin bei der Milchverarbeiterin Cremo. Am ­Beruf liebt sie die Abwechslung – und die Arbeitszeiten.

KÄST SEIT DER KINDHEIT: Die Chemie stimmt zwischen Maude Brunner (40) und den Milchprodukten. (Fotos: Matthias Luggen)

Um neun Uhr abends riefen die Eltern jeweils in der Käserei an: «Könnt ihr Maude bitte nach Hause schicken?» Das Käsen über dem Holzfeuer fand die Tochter so spannend, sie konnte sich kaum losreissen. Als Kind habe sie fast jeden Abend dort verbracht, sagt Maude Brunner: «Gleich neben unserem Haus gab es eine Schaukäserei, angeschlossen an ein Restaurant. Ich kam von der Schule heim, wir assen Znacht, dann ging ich rüber und schaute zu.»

Schon mit 12 Jahren fing sie an zu helfen. Und war fasziniert, bis heute: «Die Milch ist etwas Lebendiges. Und wenn man sie richtig verarbeitet, wird in zwei Stunden Käse draus.» Als sie 14 war, gingen die Beizer in die Ferien. Da machte sie den Käse alleine. Spätestens da war klar: Sie macht eine Lehre als Käserin.

MÄNNERDOMÄNE. Ja, das sei ein Männer­beruf gewesen damals. Aber das war ihr egal. Nach der Lehre arbeitete sie zuerst in der Butter- und der Joghurtproduktion. Sie lacht und sagt: «Es braucht nicht unbedingt dicke Arme, um als Käserin zu arbeiten.» Heute gebe es mehr und mehr junge Frauen, die die Lehre machten.

Doch das Käsen alleine ist Maude Brunner bald zu wenig. Sie macht eine zweite Lehre als Milchtechnologin und findet eine Stelle bei der Milchverarbeiterin Cremo im waadtländischen Lucens. Dort bildet sie sich zur Laborantin weiter, ihrem heutigen Beruf. «Wir kontrollieren jede Tankladung Milch, die ankommt, und alle Produkte, bevor sie rausgehen.» Die Produkte, das sind Raclettekäse sowie verschiedene Pulver: Milch-, Molke- und Butter­mlichpulver in diversen Varianten.

Selten, vielleicht einmal im Jahr, komme es vor, dass eine Probe nicht den Vorgaben entspreche. Was passiert dann? «Fortgeworfen wird nichts», sagt Brunner. Pulver könne meist für eine andere Mischung verwendet werden, aus dem Käse werde Reibkäse. Und wenn das nicht gehe, liessen sich die Produkte noch als Tierfutter verwenden.Ihr Arbeitsplatz, das Labor, umfasst gleich drei Labors in einem: Chemie, Mi­krobiologie und Milchanalyse. Und obwohl die Qualitätskontrolle eigentlich eine Routinearbeit sei, bringe sie eine grosse Vielfalt mit sich, sagt Brunner: «An einem Tag mache ich chemische Analysen, am nächsten Tag Bakterienkulturen. Dann wiederum warte ich die Maschinen, bestelle Material und so weiter. Und alle Aufgaben mache ich gern.»

DIE QUALITÄT MUSS STIMMEN: Laborantin Maude Brunner macht chemische Analysen oder Bakterien­kulturen von Milchprodukten.

FRÜH FERTIG. Auf die Frage, was denn das Beste an ihrem Beruf sei, muss Maude Brunner nicht lange überlegen: «Dass ich schon mitten im Nachmittag Feierabend habe!» Sie fängt morgens um halb sieben an und kann dafür bereits um vier Uhr nach Hause. «Wunderbar» sei das.

Die intensivste Zeit ist der frühe Morgen. Dann müssen Brunner und ihre Kolleginnen viele Tests starten – von den Produkten, die in der Nacht aus der Fabrik kommen, und von der angelieferten Milch. Einige der Analysen brauchen mehrere Stunden, bis das Resultat da ist. Deshalb auch der frühe Arbeitsbeginn: «Damit die Produktion noch am Nachmittag reagieren kann, wenn etwas nicht stimmt.»

Bis vor zwei Jahren musste Brunner auch samstags arbeiten. Seit das abgeschafft wurde, seien die Arbeitszeiten «richtig gut», sagt sie. Der Grund für die Änderung ist allerdings nicht erfreulich: «Es gibt weniger Milch, wir sind nicht mehr voll ausgelastet.» Wegen der tiefen Milchpreise hörten mehr und mehr Bauern auf, was die Industrie vor Probleme stelle. Noch vor zehn Jahren wusste die Branche nicht, wohin mit ihren Produkten – «Milchsee» und «Butterberg» waren kon­stante Probleme. Heute herrscht Mangel. Während des Pandemie-Lockdowns, als die Schweiz das Backen wieder entdeckte, habe die Cremo sogar Butter aus dem Ausland importiert, sagt Brunner: «Das wäre früher undenkbar gewesen.»

AUF AUGENHÖHE. Maude Brunner ist seit drei Jahren Unia-Mitglied. Bei der Cremo ist sie zudem Präsidentin der Personalkommission. Sie vertritt, zusammen mit 8 weiteren Mitgliedern, die knapp 800 Cremo-Mitarbeitenden aus den acht Standorten gegenüber der Direktion. Viel zu tun gab es für die Peko im letzten Frühling. Da entschied die Cremo, das Werk in Steffisburg BE zu schliessen und über 40 Stellen abzubauen. Brunner und ihre Kolleginnen und Kollegen verhandelten. Und holten einen guten Sozialplan heraus. Es sei traurig, dass die Arbeitsplätze verloren gegangen seien, sagt Brunner. «Aber immerhin haben wir erreicht, dass es für die Betroffenen hohe Abfindungen, Frühpensionierungen und Weiterbildungen gab.»

Demnächst wird sie wieder mit den Chefs verhandeln. Denn zwischen der Unia und der Cremo gibt es einen Firmen-Gesamtarbeitsvertrag, diesen Frühling stehen Neuverhandlungen an. Vorher gibt’s eine Umfrage unter den Mitarbeitenden, welches die wichtigsten Forderungen sind. Wie meist in der Nahrungsmittelindustrie seien die Löhne bei Cremo eher tief, sagt Brunner: «Insgesamt sind unsere Arbeitsbedingungen okay, aber die Firma könnte noch deutlich mehr machen.» Sie freue sich darauf, mit den Chefs an den Tisch zu sitzen, sagt Laborantin Brunner: «Ich glaube, ich bin gut darin, einen Standpunkt zu vertreten und dann eine Lösung auszuhandeln.»


Maude Brunner Käse-Fan

Trotz ihrer Begeisterung für Milch und Käse: sie sei eigentlich kein «Landkind» gewesen, sagt Maude Brunner. Weder Vater noch Mutter hatten einen Bezug zur Landwirtschaft. Aber ja, ihr sei die Natur wichtig. An den Wochenenden geht sie oft wandern, daneben spielt sie Tennis und fährt Ski.

MHH! Und natürlich isst sie gern Käse. «Nicht gerade ­täglich», sagt sie mit einem Schmunzeln, «aber sicher mehrmals pro Woche.» Ihre Lieblingskäse sind der ­«Brigand du Jorat», ein Halbhartkäse, der mit dem eingedickten Apfelsaft Vin cuit verfeinert wird, und «Le Maréchal», ein würziger Rohmilchkäse aus dem Kanton Waadt. «Aber auch einen ganz normalen Gruyère mag ich sehr gern.»

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