Bei McDonald’s war Paula Ducroix* eine Senkrechtstarterin. Bis der Chef von ihren Heiratsplänen erfuhr. Und sie nicht mehr befördern wollte. Doch das liess sie sich nicht bieten!
HARTNÄCKIG: Eine Klage gestützt auf das Gleichstellungsgesetz ist langwierig und kräftezehrend. Paula Ducroix wagte es trotzdem. Und hielt durch. Jetzt muss ihr Ex-Chef ihr eine Entschädigung zahlen. (Foto: Matthias Luggen)
«Nicht klingeln, Baby schläft!» steht an der Tür des alten Bauernhauses. Hier, im Dörfchen St-Martin im Neuenburger Jura, wohnt Paula Ducroix* (24) mit ihrem Mann und Töchterchen Elena*. Vor zwei Monaten erst kam sie zur Welt. Ihr Nachmittags-Nickerchen hält sie aber schon wie eine Grosse. Durch nichts lässt sie sich stören, döst seelenruhig vor sich hin. Was aber, wenn sie wüsste, was ihre Mutter erlebt hat?
Paula Ducroix arbeitete im McDonald’s-Restaurant in Marin NE. Schon 2017 hatte sie dort angefangen, noch während ihres Wirtschaftsstudiums. Zuerst war sie Kassierin, aber schon nach wenigen Monaten begann sie zusätzlich als Burger-Braterin in der Küche. Eine solche Doppelfunktion, sagt Ducroix, sei nicht üblich beim Fast-Food-Giganten. «Eigentlich haben Mitarbeitende nur je eine Aufgabe. Mich aber interessierte der gesamte Laden, und zudem war es betrieblich sinnvoll, dass jemand die Kolleginnen in der Küche unterstützte.» So wurde Ducroix Allrounderin und Ausbilderin, machte aus ihrem Studi-Job eine Vollzeitstelle und erhielt für monatlich 100 Arbeitsstunden rund 2200 Franken Lohn.
«Beim Kinderwunsch hat der Chef sicher nichts zu melden!»
«WÄRST DU EIN MANN …»
Das habe ihr gepasst: «Ich liebte mein Team, und auch mit den Vorgesetzten gab es nie Probleme.» Deshalb bewarb sich die Senkrechtstarterin mit Überzeugung, als in ihrem «Mac» Anfang 2020 eine Management-Stelle frei wurde. Dazu ermutigt habe sie nicht zuletzt ihre Vorgesetzte. Beste Aussichten also. Zumal auch noch ihre Hochzeit bevorstand, was im gesamten Team bekannt gewesen war. Dann aber wurde die McDonald’s-Filiale an einen neuen Franchisenehmer verkauft. Und der machte Ducroix einen fetten Strich durch die Rechnung.
Nicht sie, sondern eine ältere Frau bekam die Stelle. Eine herbe Enttäuschung für Ducroix, die nun von der Vorgesetzten eine Erklärung verlangte. Die Antwort: Der neue Chef befürchte, dass sie bald schwanger werde, wenn sie heirate. Ducroix traute ihren Ohren nicht, sass einfach nur da, Schockstarre pur. Dann wieder die Vorgesetzte: «Wenn du ein Mann wärst, hätten wir dieses Gespräch nicht führen müssen.» Das war zu viel. Noch nie habe sie eine so offene Diskriminierung erlebt, sagt Ducroix. «Ich war verletzt und wütend zugleich.» Entmutigen liess sie sich aber nicht.
Trotz der Wut im Bauch beschloss sie, die Sache professionell anzugehen. Daher kontaktierte sie zunächst die Personalabteilung von McDonald’s. Diese empfahl ein Gespräch mit der Vorgesetzten und dem Chef. Ducroix befolgte den Rat. Doch eine befriedigende Erklärung erhielt sie auch am runden Tisch nicht. Die Vorgesetzte bestritt, gesagt zu haben, der Chef lehne die Beförderung wegen der Heirat ab. Und der Chef stellte sich auf den Standpunkt, nie etwas versprochen zu haben. Wieder fühlte sich Ducroix hintergangen. Es sollte das letzte Mal gewesen sein. Sie kündigte – allerdings schweren Herzens, denn: «Auf einmal verlierst du dein geliebtes Team und wirst von Geldsorgen geplagt.» Immerhin war die Aussprache mit den Oberen nicht völlig für die Katz. Ducroix hatte nämlich – im Einverständnis aller Anwesenden – das gesamte Gespräch aufgenommen. Nun hatte sie brauchbare Beweise in der Hand. Zum Beispiel diesen Satz ihrer Vorgesetzten: «Es ist wahr, das hätte ich dir so nicht sagen dürfen.» Damit ging Ducroix zum kantonalen Gleichstellungsbüro. Die Fachleute empfahlen ihr, eine Gewerkschaft anzurufen.
CHEF SCHWÄNZT SCHLICHTUNG
Als Unia-Mitglied brauchte Ducroix nicht lange zu suchen. Im Neuenburger Unia-Büro erklärte ihr Anwältin Virginie Ribaux die Rechtslage. Und Ducroix beschloss zu klagen, denn: «Beim Kinderwunsch hat mein Chef sicher nichts zu melden!» Zuerst ging es vor die Schlichtungsbehörde – ohne Erfolg. Denn der Chef tauchte nicht einmal auf, sondern schickte bloss einen Anwalt. «Die dachten wohl, mich so zermürben zu können», sagt Ducroix. Sie blieb jedoch hartnäckig, traf sich über zehn Mal mit Anwältin Ribaux und hielt zwei Jahre durch.
Am 7. Februar war es endlich so weit: Prozesstag vor dem Regionalgericht Littoral et Val-de-Travers. Nach einer langen Verhandlung stellte die Richterin fest: Die Beweislage für eine verweigerte Beförderung aufgrund des Geschlechts sei zu dünn. Hingegen seien die diskriminierenden Äusserungen der Vorgesetzten besonders schwerwiegend. Und durch Ducroix’ Audio-Aufnahmen auch belegt.
Geradestehen muss dafür notabene der Chef: Ihn verdonnerte das Gericht zu einer Entschädigung von 6000 Franken. Auch die Anwaltskosten von 2500 Franken muss er seiner Ex-Angestellten berappen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Für Ducroix ist es aber schon jetzt ein Triumph: «Dass ich recht habe, wusste ich ja. Aber erst die gerichtliche Bestätigung hat mich erleichtert.» Und die Entschädigung? Um Geld sei es ihr nie gegangen, aber: «In diesem Jahr machen wir sicher Auslandsferien. Oder ein verspätetes, dafür rauschendes Hochzeitsfest.»
* Namen geändert