Weil sich bei den Löhnen seit Jahren nichts tut, gehen Finnlands Pflegende jetzt in die Offensive. Und drohen mit einer Massenkündigung.
«GELD HER!»: 25 000 Streikende fordern mehr Lohn. (Foto: Markku Ulander)
Da waren’s im Unispital nur noch 100 statt 1500: Anfang April machten die Pflegerinnen in Finnlands Spitälern Ernst und gingen aus Protest gegen zu tiefe Löhne auf die Strasse. Grosse Spitäler in den Städten Helsinki, Oulu und Tampere mussten den Betrieb stark einschränken. Und spürten sofort, was es heisst, wenn das Pflegepersonal fehlt. Nur noch die nötigsten Funktionen waren besetzt. Zum Protest aufgerufen hatten die beiden Gewerkschaften Tehy und SuPer. Geschätzte 25’000 Arbeitende beteiligten sich an der Streikaktion in insgesamt sechs Spitaldistrikten.
STAATLICHE EINSCHÜCHTERUNG
Ihre Forderung: Die Löhne sollen in den nächsten fünf Jahren um jährlich 3,6 Prozent steigen. Heute liegen sie oft bei nur 2900 Euro pro Monat, teils auch klar weniger.
Nach der ersten Streikwelle war noch eine zweite geplant. Eine noch grössere: Rund 35 000 Pflegerinnen und Pfleger in 13 Distrikten sollten die Arbeit niederlegen. Doch dazu kam es nicht. Am 20. April bliesen die Gewerkschaften diese entscheidende Aktion ab. Obwohl keine Einigung in Sicht ist. Der Grund: Das Gesundheitsministerium hatte gedroht, das Streikrecht für Pflegerinnen und Pfleger einzuschränken. Und zwar mit einem umstrittenen «Gesetz zur Patientensicherheit». Damit können Pflegende zum Dienst verpflichtet werden, wenn die Gesundheit und das Leben von Patientinnen und Patienten auf dem Spiel steht. Auch hatten die Spitaldirektionen über «untragbare Risiken» infolge der Proteste geklagt.
SHOWDOWN IM DEZEMBER
Jetzt haben die Gewerkschaften auf Ende Jahr eine andere Kampfmethode in Aussicht gestellt: Statt streiken sollen die Pflegenden kündigen! Und zwar möglichst viele aufs Mal. So, dass die Spitäler gar keine andere Wahl mehr haben als einzulenken.
Das hat schon einmal geklappt: 2007, als es um den Gesamtarbeitsvertrag ging. Der Erfolg war durchschlagend! Mehr als ein Drittel der Pflegenden hatten damals die Kündigung eingereicht. Die Arbeitgeber lenkten schliesslich weitgehend ein und konnten damit die Massenkündigung in letzter Minute abwenden.
Der Zeitpunkt für eine neuerliche Massenkündigung Ende dieses Jahres ist bewusst gewählt. Ab 2023 gehen die Spitäler von den Gemeinden und Regionen auf den Staat über. Dort rechnen sich die Gewerkschaften mehr Chancen aus, Lohnerhöhungen für die Pflegenden herauszuholen, als bei den finanziell gebeutelten Kommunen.
Übrigens protestieren in Finnland derzeit nicht nur die Pflegenden. Auch die Gemeindeangestellten führen Streikaktionen für bessere Löhne durch. Bibliotheken, Sportstätten, Museen und Kulturzentren blieben vom 3. bis 9. Mai geschlossen.