Erst die Pein, dann der Pass: Der Weg zum Schweizer Bürgerrecht ist ein Hürdenlauf

Das Schweizer Einbürgerungsverfahren zählt zu den strengsten Europas. Wer das Bürgerrecht anstrebt, durchläuft ein mehrstufiges Verfahren, wird auf Herz und Nieren geprüft und muss dafür auch noch bezahlen.

AUSDAUER GEFRAGT: Das Einbürgerungs­verfahren kann sich bis zwei Jahre oder länger hinziehen. (Foto: Adobe Stock)

Rund ein Viertel der Bevölkerung in der Schweiz wird zu Einwohnerinnen und Einwohnern zweiter Klasse degradiert: Sie haben kein Stimm- und Wahlrecht, und sie können – sogar wenn sie im Besitz einer Niederlassungsbewilligung C sind – aus dem Land geworfen werden. Dann nämlich, wenn sie schwere Straftaten begehen oder dauerhaft von Sozialhilfe abhängig werden. Erst das Schweizer Bürgerrecht schafft Zugang zu ­allen politischen Rechten und ­garantiert ein unbedingtes Aufenthaltsrecht. Etwa 40 000 in der Schweiz wohnhafte Ausländerinnen und Ausländer bestehen pro Jahr die Prozedur. Die Ablehnungsquote liege unter fünf Prozent, recherchierte der «Blick», was nach wenig tönt, aber darauf zurückzuführen ist, dass die Anforderungen auf viele Kandidatinnen und Kandidaten so schikanös wirken, dass sie das Verfahren gar nicht erst in Angriff nehmen.

ORDENTLICH ODER ERLEICHTERT

Das Bundesgesetz über das Schweizer Bürgerrecht (BüG) unterscheidet zwischen der ordentlichen und der erleichterten Einbürgerung. Zur ordentlichen Einbürgerung sind ausschliesslich Personen zugelassen, die bereits über eine Niederlassungsbewilligung C verfügen und seit mindestens ­10 Jahren in der Schweiz wohnen. Je nach Kanton und Gemeinde müssen Einbürgerungswillige ­zudem zwischen zwei und fünf Jahre im Kanton und in der ­Gemeinde wohnen, wo sie das Gesuch stellen. Haben sie minderjährige Kinder, die im gleichen Haushalt wohnen, werden diese in der Regel ins Gesuch einbezogen.

Eine erleichterte, schnellere Einbürgerung steht Personen offen, die mit einer Schweizerin oder einem Schweizer verheiratet sind oder in der dritten Generation in der Schweiz leben (siehe work-Tipp). Wobei die «erleichterte» Einbürgerung mit Ausnahme der geforderten Mindestaufenthaltsdauer kaum geringere Ansprüche an die gesuchstellende Person stellt. Und diese Ansprüche haben es in sich!

Minderjährige Kinder werden ins Gesuch der Eltern aufgenommen.

NUR «GUTMENSCHEN» WILLKOMMEN

Denn wer eingebürgert werden will, muss nicht nur «erfolgreich integriert» und mit den schweizerischen Lebensverhältnissen vertraut sein. Sie oder er muss überhaupt ein wahrhaft guter Mensch sein – darf also keinen Eintrag im Strafregister oder im Betreibungsregister haben und keine Steuerausstände. Natürlich auch keine «Fiche» beim Nachrichtendienst des Bundes, denn das würde ja heissen, dass eine Gefährdung der inneren oder äusseren Sicherheit der Schweiz bestünde. Ausserdem gilt nur als einbürgerungsfähig, wer «am Wirtschaftsleben oder am Erwerb von Bildung» teilnimmt – im Klartext: wer nicht arbeitet oder eine Ausbildung absolviert, muss es gar nicht erst versuchen. Natürlich sind auch Kenntnisse ­einer Landessprache gefordert, die ausreichen, sich im Alltag in Wort und Schrift zu verständigen. Und schliesslich gilt es, die Werte der Bundesverfassung zu respektieren (zum Beispiel die Gleichberech­tigung von Mann und Frau).

UMSTÄNDLICHES VERFAHREN

Genaugenommen verbinden sich mit dem Schweizer Pass gleich drei Bürgerrechte: je eines auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene. Wie so oft in der Schweiz, regelt der Bund bei der Einbürgerung zwar die Grundregeln, überlässt die Umsetzung aber den Kantonen. Unabhängig vom Wohnort ist der dreistufige Ablauf des ordentlichen Verfahrens:

  1. Die Bewerberin oder der Bewerber stellt bei der zuständigen Behörde des Wohnkantons ein Gesuch um Erteilung der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung. Gemeinde und Kanton prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind. Wie sie diese Prüfung regeln, ist ihnen überlassen. Eine maximale Frist für diese Phase ist nicht definiert. Kommen sie zu einem positiven Urteil, sichern sie die Einbürgerung zu und leiten das Gesuch an den Bund weiter.
  2. Das Staatsekretariat für Migration prüft innert maximal 8 Monaten die Bewerbung auf Bundesebene und erteilt bei günstigem Ergebnis die Einbürgerungsbewilligung des Bundes.
  3. Die kantonale Behörde hat ein Jahr Zeit, das Bürgerrecht definitiv zu erteilen. Sie prüft das ­Gesuch erneut. Falls sich in der Zwischenzeit Voraussetzungen geändert haben, kann sie ihren ­ursprünglich positiven Entscheid sogar wieder rückgängig machen. Andernfalls erteilt sie das definitive Bürgerrecht.

Das gesamte Verfahren kann also bis zu zwei Jahre oder sogar länger dauern. Die Kosten unterscheiden sich von Kanton zu Kanton und von Gemeinde zu Gemeinde. Eine Einzelperson bezahlt in Lausanne unter tausend Franken, in Schwyz hingegen das Vierfache, hat der Vergleichsdienst Comparis berechnet (rebrand.ly/buergerpreis). Diverse Gebühren für die Beibringung von Dokumenten fallen stets zusätzlich an.

BESCHWERDE BEI ABLEHNUNG

Was aber, wenn die Einbürgerung verweigert wird? Dann muss die Ablehnung immer begründet werden. Entscheidet die Gemeindeversammlung, muss während der Versammlung ein Ablehnungsantrag mit Begründung gestellt werden. Die Entscheide wiederum sind anfechtbar. Bei welcher Instanz die Beschwerde einzureichen ist, legen die Kantone selber fest. In ­jedem Fall kann ihr Entscheid auf Bundesebene weitergezogen werden. Die Schweizerische Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht führt dazu eine Falldatenbank (rebrand.ly/beobachtungsstelle). Diese zeigt: Immer wieder korrigieren Gerichte ablehnende Einbürgerungsentscheide, weil einzelne kritische Aspekte zu stark gewichtet und das insgesamt günstige Gesamtbild zu wenig berücksichtigt worden seien. Widerspruch kann sich also lohnen.

Dritte Generation

Ausländerinnen und Ausländer, ­deren Grosseltern in die Schweiz eingereist sind, können sich seit 2018 erleichtert einbürgern lassen, wenn sie einige Bedingungen erfüllen (rebrand.ly/drittegenera­tion) und ihr Gesuch vor dem ­25. Geburtstag einreichen. Während einer Übergangsfrist ­können ausserdem bis vierzig­jährige Personen einen Antrag ein­reichen. Achtung: Diese Frist gilt nur noch bis am 15. Februar 2023.


Einbürgerungstests Können Sie Schweiz?

Einbürgerungswillige Personen müssen über Grundkenntnisse­ der geographischen, geschichtlichen, politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse der Schweiz verfügen. Dieses Wissen dürfen die Behörden gemäss Verordnung mit einem schriftlichen Test abfragen. Davon machen viele Kantone und Gemeinden Gebrauch. Zum Beispiel der Kanton Bern. «Was geschah am Wiener Kongress?» – «In welches Meer fliesst die Aare?» – «Wann gibt es ein obligatorisches Referendum?» So lauten drei Fragen aus dem Berner Test, ­Serie 24/2021. Vier mögliche Antworten haben Sie pro Frage zur Auswahl, nur eine ist richtig, und wenn Sie nicht mindestens 29 von 48 Fragen richtig beantworten, sind Sie durchgefallen (Fragen und ­Lösungen zu diesem Test: ­rebrand.ly/bernertest). Mit der Kombination der Such­begriffe «Einbürgerungstest» plus Kantonsname finden Sie im Internet viele weitere Tests.

SPITZFINDIGKEITEN. Mutet eine Einbürgerungsbehörde den Bewerberinnen und Bewerbern einen solchen Test zu, muss sie ihnen Gelegenheit geben, sich mit geeigneten Hilfsmitteln oder in einem Kurs darauf vorzubereiten. Und die Anforderungen müssen sinnvoll erscheinen und fair sein. Zwar dürfen durchaus Fragen gestellt werden, an denen manche Schweizer Bürgerinnen und Bürger kläglich scheitern würden. Treiben die Behörden die Spitzfindigkeiten aber zu weit, klopft ihnen das Bundesgericht schon mal auf die Finger: Eine Einbürgerung, hat es zum Beispiel geurteilt, dürfe nicht daran scheitern, dass jemand das Alphorn als «Schwizerhorn» bezeichne oder einen lokalen Berg nicht beim Namen nennen könne.

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