Andreas Rieger
Derzeit überprüft die Europäische Kommission den Lohnschutz in den EU-Mitgliedländern. Dabei interessiert nicht, ob die Länder Lohndumping bei Entsendearbeit bekämpfen. Vielmehr kontrolliert die Kommission, wie die EU-Durchsetzungsrichtlinie von 2014 umgesetzt wird. 24 Länder haben jetzt Post aus Brüssel bekommen. Bei der grossen Mehrheit will die EU-Kommission zu scharfe Lohnschutzmassnahmen festgestellt haben: In Deutschland wie auch in Frankreich sei das Meldeverfahren vor der Entsendung zu bürokratisch und aufwendig. In Belgien sei der Preis von 20 Euro für den Baustellen-Badge, der zur Arbeitskontrolle dient, zu hoch. Zudem sei die Solidarhaftung im Bau unzumutbar. In Österreich sei die Höchststrafe, die Sperrung der Firma für einige Jahre, unverhältnismässig hart.
Diese EU-Richtlinie soll den Lohnschutz kleinhalten.
GEJAMMER. Die kleinlichen Beanstandungen sind nicht nur auf dem Mist von Brüsseler Bürokraten gewachsen. Sie reflektieren das Gejammer von Entsendefirmen, das wir auch kennen (work berichtete: rebrand.ly/gewerbler-angriff). Die Patrons finden es unzumutbar, ein paar Tage vor der Entsendung schriftliche Angaben zu den Arbeitern machen zu müssen. Oder sie finden die Sanktionen unverhältnismässig, wenn sie beim Lohndumping erwischt werden. Die Post aus Brüssel zeigt, dass die EU-Durchsetzungsrichtlinie weniger den Zweck hat, Instrumente gegen Lohndumping zu schaffen, sondern den Lohnschutz kleinzuhalten. Die Richtlinie legt nämlich nicht fest, welche Massnahmen gegen Lohndumping mindestens umgesetzt werden müssen. Sie zählt vielmehr in einer Liste genau auf, welche erlaubt sind. Zwar lässt sie ein kleines Türchen offen für weitere Massnahmen. Wenn Österreich das aber nutzt und die Aussperrung aus dem Markt als Sanktion einführt, dann geht die Türe gleich wieder zu.
SOLIDARITÄT. Die Gewerkschaften in der EU waren mit der Durchsetzungsrichtlinie nie glücklich. Die Vertreterinnen des Deutschen und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes im Europäischen Gewerkschaftsbund hätten sie 2014 am liebsten gekübelt. Heute bekämpfen sie die negativen Auswirkungen der Richtlinie. Und sie sind solidarisch mit uns Gewerkschaften in der Schweiz, die den Lohnschutz nicht der Durchsetzungsrichtlinie unterstellen und preisgeben wollen.