Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin.
Seit neustem hängt im Sortierraum ein riesengrosser Monitor und ersetzt die bisherigen wenig beachteten Anschlagbretter.
Allerhand Vergleichszahlen leuchten da auf, unermüdlich werden die Teams und die Zustellstellen quantitativ verglichen. Die Briefträgerin findet’s langweilig – was sagt es denn letztlich aus?
KENNZAHLEN. Wer schneller war, wer weniger Fehler machte – na ja. Welches Team wie viele Absenzen verzeichnet und so weiter und so fort. Betriebs- und Nichtbetriebsunfälle, aktuell und im Vergleich zum Vorjahr. Mit Hinweis auf die entstandenen Kosten. Statistik ohne Ende. «Teamkennzahlen» heisst solches – was für ein Wort! Ein Team kennzeichnen – oder erkennen – aufgrund der Zahlen, die es liefert?
Die Parole: „BZR Bern, Post für die Hauptstadt.“ Griffig.
Es gibt weitere Rubriken auf dem neuen elektronischen Anschlagbrett. Die Ein- und Austritte zum Beispiel, die Gratulationen für die bestandenen Lehrabschlussprüfungen und die Begrüssung der neuen Lernenden, der Abschiedsgruss des Chefs, ein Organigramm und eine Karte der «Flächenorganisation». Vorübergehend gültig, denn die nächste Reorganisation steht vor der Tür. Kampagnen wie «Postactivity» – die Briefträgerin erinnert sich momentan nicht, was damit gemeint ist. Hinweise zu aktuellen Arbeitssicherheitsthemen wie, dass die Füsse aufs Trittbrett gehören. Eine Einladung, via QR-Code ein Gratis-Postkartenset zu bestellen. Und nicht zu vergessen die Parole: Briefzustellregion «BZR Bern, Post für die Hauptstadt». Griffig.
SURREAL. Ist die Anschaffung des neuen Monitors überhaupt der Schreibe wert? Nicht unbedingt. Es ist ein Schritt im allgemeinen Digitalisierungsprozess und bei manch andern Firmen wohl längstens Realität. Weshalb erzählt die Briefträgerin denn davon? Vielleicht, um ein Stimmungsbild zu liefern aus der Halle, in der die vielen Sortiergestelle stehen und am frühen Morgen und ab dem Mittag emsige Hände am Werk sind. Während auf dem Bildschirm sich wiederholend die News vorübergleiten. Und in der Zeit, wo die Hände draussen beschäftigt sind, ausser die paar vom Innendienst? Ein fast surreales Bild: Botschaften ins Leere, sozusagen.