Unia-Studie: Roche-CEO Schwan ist erneut Ober-Abzocker
Geldregen für Chefs, Brösmeli für Büezer

Der Raubzug von ­Management und Aktionariat auf die Konzerngewinne geht ­munter weiter. Im Schnitt beträgt die Lohnschere 1 : 141. Das zeigen neueste Berechnungen der Unia. 

DAS SIND DIE 10 UNSOZIALSTEN FIRMEN! Ein Lesebeispiel: Das Gehalt von Roche-CEO Severin Schwan (15 Millionen Franken) ist 307 Mal höher als der tiefste Lohn bei Roche in der Schweiz. (Foto: Keystone / Quelle: Unia)

Vor zwei Jahren lag in den grossen Schweizer Konzernen der höchste Lohn 136 Mal höher als der tiefste im Betrieb. Jetzt ist diese riesige Ungleichheit noch angewachsen. Sie beträgt nun 1 zu 141. Mit anderen Worten: Ein CEO sackt 141 Mal mehr ein als die am schlechtesten bezahlten Mitarbeitenden im Betrieb. Dies enthüllt die neue Lohnschere-Studie der Unia. Sie nimmt das aktuelle Verhältnis der höchsten und tiefsten Löhne in rund vierzig Schweizer Konzernen unter die Lupe.* 

Von Mässigung in der Teppichetage kann keine Rede sein. Im Gegenteil. Gerade bei Banken und Pharmafirmen wird weiter abgezockt, als hätte es nie eine Pandemie gegeben. Auf Platz eins der Ober-Abzocker rangiert weiterhin Roche-Chef Severin Schwan. Er kassiert ein Gehalt von über 15 Millionen Franken. Pro Jahr. Das ist 307 Mal so viel wie die Mitarbeitenden mit den tiefsten Löhnen im Basler Pharmariesen. Schlechter geht nicht.

Roche zahlt inzwischen fast doppelt so viel Geld ans Aktionariat aus wie an die eigenen Mitarbeitenden.

IT-BRANCHE ZOCKT TÜCHTIG MIT

Die zweitgrösste Lohnschere weist die UBS auf. Dort kassiert Ermotti-Nachfolger Ralph Hamers 221 Mal mehr als die untersten Mitarbeitenden. Ähnlich ungerecht geht’s bei Novartis oder Nestlé zu und her (Quote 195 bzw. 201). Was aber nichts Neues ist. Neu hingegen sind zwei Konzerne in der Liga der zehn Grossunternehmen mit der unsozialsten Lohnstruktur. Nämlich die beiden Softwarefirmen Logi­tech und Temenos. Sie fallen mit grossen Lohnkluft-Quoten von 204 bzw. 189 auf. Das zeigt, wie auch im aufstrebenden IT-Bereich immer mehr Topmanager Gefallen an massloser Bereicherung finden. Sie streben an die Spitze der obersten Abzocker. So hat es Logitech-Chef Bracken Darrell geschafft, in die exklusive Gilde jener CEO aufzusteigen, die über zehn Millionen Franken pro Jahr einheimsen. Auch geschafft hat es der CEO der US-schweizerischen Augenlinsen-Firma Alcon, David J. Endicott. Dank einer Lohnerhöhung von 31 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Mann mit dem grössten Lohnsprung in der Teppichetage heisst jedoch Frankie Ng. Der 55jährige Manager mit Wurzeln aus China ist der Chef des Genfer Wa­renprüfkonzerns SGS. Er verdiente 2020 noch 3,3 Millionen Franken, jetzt sind es 6,9 Millionen – mehr als doppelt so viel in kürzester Zeit. 

Wo oben derart abkassiert wird, fallen unten meist nur noch Krümel an. In 50 Prozent der Unternehmen, welche die Unia-Studie untersucht, liegen die tiefsten Löhne sogar unter 4000 Franken im Monat. Das sind Tieflöhne. So also sieht das Panorama in unseren Konzernen aus: oben prassen, unten knausern. Oder schassen: Nicht wenige Konzerne wie etwa Novartis oder Lindt & Sprüngli kündigten gleichzeitig grosse Gewinne und Hunderte von Entlassungen an. Soziale Verantwortung wird kleingeschrieben, es geht um Gewinn, Glanz und Profit. 

82 MILLIARDEN FÜR AKTIONÄRE

Aber nicht nur Topmanager langen unverfroren zu. Auch die Aktionärinnen und Aktionäre tun es. Über 82 Milliarden Franken flossen letztes Jahr als Dividenden in ihre Taschen. Allen voran beim Pharmamulti Roche, der allein 8,1 Milliarden Franken an Dividenden ausschüttete. Roche kaufte zudem noch für über 20 Milliarden Franken Aktien zurück und stampfte sie ein. Dies treibt den Wert der verbleibenden Aktien in die Höhe, wovon dann wieder die Spitzenmanager profitieren. Denn ihr Gehalt ist an den Aktienkurs gekoppelt. Roche zahlt inzwischen fast doppelt so viel Geld ans ­Aktionariat aus wie an die eigenen Ange­stellten. Geld, das dann für Innovationen fehlt. 

Die Ungleichheit also wächst und wächst. Die Minder-Initiative gegen Abzockerei, die 2013 an der Urne spektakulär siegte, erweist sich weiterhin als stumpfes Schwert. So wie es der Gewerkschaftsbund vorausgesagt hatte. Was tun? Unia-Ökonomin und Studienverfasserin Noémie Zurlinden sagt: «Um die Ungleichheit zu verringern, braucht es endlich wieder sub­stantielle Lohnerhöhungen.» Es bestehe grosser Nachholbedarf, da die tiefen Löhne im Gegensatz zu den obersten in den letzten Jahren stagnierten. Viele Arbeitnehmende erlitten Kaufkraftverluste und haben weniger im Portemonnaie als früher. Gerade jetzt verschärft sich die Lage noch. Denn die Teuerung zieht an, und die Krankenkassenprämien steigen ungebremst weiter. Zurlinden mahnt: «Die Unternehmen stehen in der Pflicht, ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen – und nicht bloss ihrer Verantwortung gegenüber dem Aktionariat.» 

* Noémie Zurlinden: Lohnschere-Studie 2022, Gewerkschaft Unia. Download: rebrand.ly/lohnschere-studie.

FOTO: KEYSTONE

Ems Chemie: Goldesel der Familie Blocher

In der Liste der CEO-Abzocker sucht man Blocher-Tochter und Ems-Chemie-Chefin Magdalena Martello vergebens. Ihr Trick: Sie lässt sich einen vergleichsweise tiefen CEO-Lohn von rund 1.2 Millionen Franken auszahlen, kassiert dann aber umso mehr, weil sie zusammen mit ihren beiden Schwestern Hauptaktionärin ist. Just in diesen Tagen zahlt die Ems-Chemie eine um 25 Prozent höhere Dividende aus. Das spült der Blocher-Familie wiederum mehrer Hundert Millionen Franken in die Kasse. In nur einem Jahr!

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