Wenn jetzt die Preise steigen, trifft das die Haushalte mit tiefen Einkommen hart. Denn die Kaufkraft ihres Einkommens sinkt stärker als jene bei mittleren und höheren Einkommen. Der Grund dafür: Personen mit wenig Einkommen müssen einen grösseren Teil davon für den täglichen Gebrauch und fürs Wohnen ausgeben. Also für Essen und Trinken sowie für Miete und Energiekosten. Und diese Preise sind seit Jahresfrist stärker gestiegen als etwa jene für Bekleidung und Möbel.
REICHE WENIGER BETROFFEN. Eine Untersuchung in Grossbritannien hat aufgezeigt, wie sich die unterschiedliche Zusammensetzung der Ausgaben auf die Einkommensgruppen auswirkt. Unser Diagramm zeigt die Unterschiede umgerechnet auf die schweizerische Situation mit einem durchschnittlichen Anstieg der Konsumentenpreise von 3,5 Prozent im August 2022. Der Warenkorb der Haushalte in den mittleren Einkommensgruppen hat eine Teuerung von 3,5 bis 3,7 Prozent. Für Haushalte mit tiefen Einkommen erhöhen sich hingegen die Konsumpreise um 3,8 bis 4,2 Prozent. Der Zehntel mit den höchsten Einkommen ist hingegen nur von einer Teuerung von 3,1 Prozent betroffen.
TEUERUNGSAUSGLEICH JETZT! Eine höhere Teuerung hat demnach auch Auswirkungen auf die Einkommensverteilung: Tiefe Löhne verlieren (noch) mehr an Kaufkraft, hohe Einkommen verlieren weniger. Auch aus gewerkschaftlicher Sicht ist deshalb eine hohe Teuerung problematisch. Drastische Gegenmassnahmen seitens der Nationalbank wie eine schnelle Zinserhöhung können jedoch zu Rezession und Arbeitslosigkeit führen. Was wiederum oft diejenigen mit geringeren Einkommen trifft. Besser wäre es etwa, die Extraprofite der Energiekonzerne zu besteuern und mit diesen Mitteln Haushalten mit mittleren und tiefen Einkommen die Heizkosten zu verbilligen.
Die wichtigste Antwort auf die steigende Teuerung sind aber ein Teuerungsausgleich und Lohnerhöhungen. Die tiefen Einkommen müssen dabei mehr angehoben werden, weil sie stärker von der Teuerung betroffen sind, etwa durch einen einheitlichen Teuerungsausgleich in Franken für alle oder eine deutliche Anhebung der vertraglichen und gesetzlichen Mindestlöhne.
Hans Baumann ist Ökonom und Publizist.