Ob Seehunde, Schneeleoparden oder anhängliche Affen: Tierpflegerin Valentina Matti bleibt cool. Mehr Bauchweh als die Tiere machen ihr gewisse Zoogäste.
Valentina Matti (Foto: Stefan Bohrer)
Die Zwetschgen sind halbiert, die Körner gemischt: alles bereit für die 50 Javaneraffen. Tierpflegerin Valentina Matti marschiert los zum Affenfelsen, heute zusammen mit einem Volontär: Der junge Mann wird zwei Wochen die Arbeit im Zoo kennenlernen – ein wichtiger Schritt zu einer der begehrten Lehrstellen im Basler Zolli. Heute ist sein erster Tag. Bevor es losgeht, instruiert sie den Jugendlichen. «Wenn dir ein Affe auf die Schulter klettert und du ihn verscheuchen willst: nicht mit der Hand berühren! Sonst kommen die Grossen, dann wird’s gefährlich.» Sie zeigt vor, wie er mit ruckartigem Bewegen des Oberkörpers die Affen wieder abwerfen kann. Und tatsächlich: Kaum betreten die zwei das Gehege, hockt dem Volontär schon ein Affe auf der Schulter. «Eeh!» macht der und neigt sich etwas zaghaft zur Seite. Den Affen kümmert das nicht. Matti wirft derweil eine Handvoll Zwetschgen hoch auf den Felsen, eine Ladung Körner in die Holzschnitzel am Boden. So können die Tiere später ihre Nahrung selber suchen.
MÄDCHENTRAUM. Der Volontär schaut etwas verzweifelt. «Der will nicht weg!» ruft er. Da stapft Matti auf ihn zu. Mit einem lauten «He!» und einer gekonnten Bewegung des Futterbeckens verscheucht sie den ungebetenen Gast. Später sagt sie: «Wenn ich zu den Affen reingehe, muss ich der Big Boss sein. Aber diesen Respekt muss man sich erarbeiten.» Das Füttern sei nur der kleinste Teil ihrer Arbeit. Die meiste Zeit verbringe sie mit Putzen. Also doch kein Traumberuf? Für sie schon, sagt die 22jährige mit der Kurzhaarfrisur und lacht: «Wir Zooleute lieben es, in der Kacke zu stehen. Wenn wir voll sind mit Affenkot, sagen wir nicht ‹wäh!›, sondern ‹wow!›» Wer am Dreck keine Freude habe, sei in dem Job fehl am Platz.
Sie ist hier richtig, das weiss Valentina Matti schon lange. Aufgewachsen in La Chaux-de-Fonds im Kanton Neuenburg, war sie bereits als kleines Kind von Tieren fasziniert. Mit neun Jahren machte sie Ferien bei ihrer Tante in Riehen bei Basel. Nach einem Zoobesuch war klar: Da will sie wieder hin. «Von da an wollte ich in den Schulferien immer nur eines: im Kinderzoo bei der Tierpflege helfen.» Und das tat sie. Sieben Jahre lang. Mit 16 machte sie ein zweiwöchiges Volontariat, half an den Wochenenden als Freiwillige, pflegte den Kontakt zu den Zoo-Verantwortlichen. Aber gleich nach der Schule eine Tierpflegerin-Lehre, das gibt’s im Zoo Basel nicht. Eine Chance hat nur, wer bereits einen Abschluss vorweisen kann, vorzugsweise in einem handwerklichen Beruf. So kann er oder sie bei Bedarf auch in den Werkstätten des Zoos eingesetzt werden. Also machte Matti eine Malerinnenlehre, bewarb sich dann beim Zoo. Im vergangenen Sommer klappte es. Wenn alles nach Plan läuft, hat sie in knapp zwei Jahren ihren zweiten Lehrabschluss in der Tasche.
STOLZE TIERE. Hat sie im Zoo ein Lieblingstier? Keine Frage: «Die Seelöwen. An denen habe ich mega Freude.» Das zeigt sie beim Füttern der Tiere: Da gibt’s nicht nur Fische, sondern zwischendurch einen Ball, den ihr die Tiere wieder zurückwerfen. Dann rennt die Tierpflegerin plötzlich halb um das Becken, lockt sie auf die Podeste am Ufer, streichelt sie, animiert sie zu Übungen. Ein paar Hundert Kinder und Erwachsene verfolgen die Show. Nicht zum Streicheln sind die Schneeleoparden: «Da ist immer ein Gitter zwischen mir und den Tieren.» Einen Bezug zu den Raubkatzen hat sie trotzdem, spricht sie an, kennt ihre Macken und ihre Lieblingsplätze: «Schau, da oben auf dem Felsen ist das Junge!»
Richtig anstrengend sei ein Arbeitstag an einem Sommerwochenende. Wegen der vielen Besucherinnen und Besucher? «Wegen denen, die meinen, die Regeln gelten für sie nicht.» Und etwa die Tiere füttern. Obwohl überall Schilder warnen, dass dies für die Tiere lebensgefährlich sei. Dann ist es Mattis Job, die Gäste an das Verbot zu erinnern. Natürlich freundlich, «denn wir sind das Gesicht des Zoos. Aber wenn du das am Tag zehnmal sagen musst, vergeht dir irgendwann das Lächeln.» Oder dieser eine Besucher neulich. «Der kam völlig aufgelöst zu mir, sein Autoschlüssel sei im Affengehege.» Klar: Er hatte vor den Affen mit dem silbrigen Ding gespielt, das Tier war flinker als gedacht. Matti grinst und erzählt, sie habe ihn ein bisschen zappeln lassen. «Ich sagte ihm zuerst, die Affen spielen mit etwas, bis es kaputtgeht.» Natürlich holte sie dann den Schlüssel – ganz. «Ich glaube, er hat seine Lektion gelernt.»
Neben dem Kontakt mit den Tieren gefalle ihr der Beruf auch, weil sie mit den Händen arbeiten könne. «Und weil ich draussen bin statt in einem Zimmer eingesperrt.» Am schönsten fände sie immer den Start am Morgen, bevor die ersten Besucherinnen und Besucher kämen. «Dann kann ich in Ruhe schauen, wie es den Tieren geht.» Um 17 Uhr ist Feierabend. Der Weg zur Garderobe führt noch einmal am Affenfelsen vorbei. Ein halbes Dutzend der Tiere ist am Gitter hochgeklettert, um die Menschengruppe genau zu beobachten, die davorsteht. Eine Frau streckt den Arm aus. Matti reagiert resolut: «Tschuldigung! Nicht berühren, bitte.» Ertappt zieht die Frau ihren Arm zurück.
Valentina MattiZoo-Leben
Im Moment lernt Valentina Matti den Afrika-Dienst: Zebras, Flusspferde, Strausse. Zwanzig Mal muss sie ihn mit einem erfahrenen Kollegen absolvieren, danach darf sie für diese Tiere die Verantwortung übernehmen. Für drei Dienste ist sie bereits qualifiziert: das Vogelhaus, den Kinderzoo mit Lama, Esel und Ponys sowie den Dienst mit Javaneraffen, Schneeleoparden und Seelöwen. Total kennt der Zoo Basel 26 solche Dienste – «aber wir lernen nur vier oder fünf, mehr ist nicht sinnvoll».
FAMILIENZEIT. Ihr Arbeitstag dauert von viertel nach sieben bis nachmittags um fünf, mit anderthalb Stunden Mittagspause. Nach vier Tagen Arbeit oder Berufsschule am Stück hat sie jeweils einen oder zwei Tage frei. Dienst am Wochenende gehöre dazu: «Das ist eine Frage der Einstellung.»
Auch in der Freizeit ist sie gern draussen: Wandern, Skifahren, Schlittschuhlaufen. Oder sie verbringt Zeit mit ihrer Familie in der Westschweiz. Und wen wundert’s: In den Ferien geht sie wenn immer möglich einen Zoo besuchen. Besonders beeindruckt habe sie der «Zoo de la Flèche» im Westen Frankreichs.
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