Mit der Abschaffung der Verrechnungssteuer für Obligationen-Grossanleger legt die bürgerliche Mehrheit ihren bislang schamlosesten Angriff auf die Staatskasse vor. Im Interesse von Grosskonzernen, Oligarchen und Steuerbetrügern.
DAS WIRD TEUER! Die Verrechnungsseuer funktioniert wie das Bierbecher-Pfand: Fällt es weg, fehlt der Anreiz, den Becher zurückzubringen. Im Falle der Verrechnungssteuer gingen dem Staat 800 Millionen verloren. Pro Jahr! (FOTO: ADOBE / ZVG; MONTAGE: TNT)
Was genau ist eigentlich die Verrechnungssteuer?
Die Verrechnungssteuer ist eine vom Bund erhobene Quellensteuer auf Einkünfte aus beweglichem Vermögen. Sie ist fällig auf Zinsen und Dividenden, zum Beispiel, und ab einem Swisslos-Gewinn ab 1 Million Franken. Der Satz liegt bei 35 Prozent und wird von der Zahlstelle vom eigentlichen Auszahlungsbetrag abgezogen und an den Bund überwiesen. Wenn das Vermögen, aus dem die Erträge stammen, und die Erträge selber korrekt ausgewiesen werden, wird die Verrechnungssteuer zurückerstattet. Die Verrechnungssteuer soll also Steuerbetrug verhindern und wird darum auch «Sicherungssteuer» genannt. Sie funktioniert wie ein Pfand.
Jetzt soll dieses Pfand gegenüber 200 Konzernen – das sind nur 0,03 Prozent aller Schweizer Firmen – und gegenüber Grossanlegern aus dem In- und Ausland aus der Hand gegeben werden. Alle anderen würden weiter mit der Verrechnungssteuer konfrontiert.
Grosskonzerne werden beschenkt, die Bevölkerung muss bezahlen.
Was hat das mit einem Bier am Fussballmatch zu tun?
Das Prinzip der Verrechnungssteuer kann gut am Beispiel eines Fussballmatches erklärt werden. Und zwar so: Wer sich dort ein Bier holt, bezahlt auf dem Becher ein Pfand. Wenn sie oder er den leeren Becher zurückbringt, wird das Pfand zurückbezahlt. Was die Finanzindustrie und die bürgerliche Parlamentsmehrheit jetzt vorschlagen in Sachen Verrechnungssteuer auf Obligationen, heisst übertragen auf das Bier am Fussballmatch: Wer einen Becher Bier holt, bezahlt weiterhin Pfand, damit der Anreiz zur Rückgabe besteht. Wer hundert Becher kauft, bezahlt kein Pfand mehr – und kann die Becher sorglos auf den Boden werfen: es kostet ihn oder sie ja nichts. Und noch konkreter: Wenn der FCB im ausverkauften Joggeli, dem grössten Stadion der Schweiz, spielt, würde – nach bürgerlicher Logik – künftig von den 36 000 Zuschauerinnen und Zuschauern 35 892 Depot bezahlen – und 108 nicht.
Wer würde von einer Abschaffung profitieren?
Grosskonzerne und die Finanzindustrie, Steuerbetrügerinnen und Oligarchen. 500 Millionen Franken jedes Jahr würden bei einer Abschaffung direkt ins Ausland fliessen. Profitieren würden in besonderem Masse auch all jene, die ihre grossen Vermögen nicht korrekt deklarieren. Denn die rechte Mehrheit hat auch die letzte kleine Sicherung gegen Steuerbetrug, die der Bundesrat noch eingebaut hatte, aus dem jetzt zur Abstimmung stehenden Gesetz gestrichen.
Was kostet uns das?
Zuerst einen einmaligen Steuerausfall von einer Milliarde Franken, weil nach einer Abschaffung noch mehrere Jahre Verrechnungssteuern für deklarierte Zinseinkünfte zurückgefordert werden können, während keine neuen Einnahmen erzielt werden. Und dann würden Jahr für Jahr bis zu 800 Millionen Franken fehlen. Die Befürwortenden behaupten, nach diesen Ausfällen käme es zu neuen Einnahmen. Es ist das alte neoliberale Märchen von den Einnahmen, die sprudeln, wenn bloss zuerst einmal die Reichen und Superreichen entlastet werden. In den Lehrbüchern der bürgerlichen Ökonomen funktioniert das. Im richtigen Leben wurde dieses Steuer-Voodoo in jedem Praxisversuch widerlegt.
Wer profitiert nicht?
Alle anderen Privatpersonen und 99,97 aller Schweizer Unternehmen. Im Gegenteil: sie alle müssten das Millionengeschenk an Konzerne, Steuerbetrügende und Oligarchen bezahlen. Entweder mit höheren Steuern und Gebühren oder mit Leistungsabbau etwa in der Bildung, der Kultur und im Gesundheitswesen.
500 Millionen pro Jahr würden künftig direkt ins Ausland fliessen.
Was steckt dahinter?
Die Rechten und die Finanzindustrie haben ein grosses strategisches Ziel: Ausschliesslich Lohnabhängige, Rentnerinnen und Rentner sollen auf ihre Einkommen Steuern bezahlen. Und Gebühren für staatliche Leistungen. Gebühren sind nicht einkommensabhängig. Das heisst: der ärmste Schlucker bezahlt gleich viel (wenn er überhaupt kann) wie der Goldküsten-Milliardär. Der Abfallsack kostet für Arme genauso viel wie für die Milliarden-Erbin. Die Krankenkassenprämien werden immer weniger verbilligt. Und der Mehrwertsteuersatz auf Nahrungsmittel ist für Haushalte mit einem frei verfügbaren Einkommen von 1000 Franken gleich hoch wie für den mit Millionen vergoldeten CEO-Abzocker. Aber für Gering- und Normalverdienende macht sie ein X-faches aus am verfügbaren Budget.
Ein Strategiepapier aus dem Eidgenössischen Finanzdepartement von SVP-Bundesrat Maurer zeigt: Die bürgerlichen Parteien und die sie finanzierenden Verbände und Konzerne verfolgen mit immer neuen Vorlagen nur ein Ziel: Die Finanzindustrie und ihre Profiteure, Konzerne, Abzocker-Manager und Superreiche sollen immer weniger Steuern bezahlen müssen. Stattdessen sollen nur noch Lohn, Rente und Konsum besteuert werden.
Das haben SVP, FDP, Mitte und die rechten Grünen von der GLP ihren Sponsoren aus Banken, Versicherungen und Grosskonzernen versprochen. Und ihnen bleibt nur noch dieses Jahr, um zu liefern. Denn im Wahljahr werden sie sich scheuen, weitere Steuergeschenke für die Reichen und Superreichen aufzugleisen. Deshalb wollen sie sich ihre künftigen Millionenspenden noch 2022 sichern.
Das wuchtige Volks-Nein im Februar zur Abschaffung der Stempelsteuer für Grossfirmen ist ein Tolggen in ihrem Zeugnis. Kassiert haben sie schon, aber nicht geliefert. Das wollen sie jetzt wettmachen. Mit der Abschaffung der Verrechnungssteuer exklusiv für Konzerne und Grossanleger. Und mit weiteren Steuergeschenken an Superreiche und Konzerne.
Breites Bündnis:Gegen den Steuerklau
Der Widerstand gegen die Abschaffung der Verrechnungssteuer für Grosskonzerne, Steuerbetrüger und Oligarchen führt ein breites Bündnis, wie folgende Zitate zeigen:
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