Schon im Oktober protestierten die Bauarbeiter in Bellinzona, danach in Basel – jetzt waren ihre Kollegen in der übrigen Schweiz dran. 15’000 Büezer machten den Meistern klar: Die Arbeitsbedingungen müssen besser werden!
PARAT: Gibt es keine Einigung, sind die Bauarbeiter streikbereit. (Foto: Unia)
Während Bern noch tief und fest schlummert, ist im Hinterhof der Unia Bern schon am frühen Morgen einiges los. Busse fahren ein, und Helferinnen und Helfer, Mitarbeitende der Unia sowie Bauarbeiter stehen hellwach und motiviert parat für den langen Tag. Denn heute steht der vorerst letzte Protesttag in Zürich an. Das Ziel: den Baumeistern Dampf machen.
Denn mit den aktuellen Verhandlungen verlangt der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) schlicht zu viel von den Büezern. Unter dem Deckmantel der «Flexibilität» will er eine massive Ausweitung der Arbeitszeit. Auch bei der neuesten Vertragsrunde zwischen Gewerkschaften und dem Baumeisterverband kam es zu keiner Einigung.
Zurück nach Bern: Bauarbeiter Nagip Asani (51) steht auch schon auf der Matte. Er will mithelfen und Kollegen auf den Berner Baustellen zum Protest motivieren. Für ihn ist dieser Tag entscheidend. Denn wird der Baumeisterverband die Arbeitsbedingungen verschlechtern, will sich der 51jährige beruflich umorientieren. Er sagt: «Chauffeur finde ich einen schönen Beruf, dort bin ich dem Wetter nicht täglich ausgesetzt und kann meinen Körper etwas mehr schonen.»
BAUSTELLEN STEHEN STILL
Im Car zur ersten Baustelle ins Liebefeld-Quartier macht Gewerkschaftssekretärin Sonia Oliveira eine Durchsage: «Jeder einzelne Arbeiter, der heute mitprotestiert, zählt!» Und so gelingt es, schon die erste Baustelle zum Stillstand zu bringen. Mehrere Büezer, darunter Maurer Majid Haidari (36), sind bereit, mit nach Zürich zu reisen: «Ich bin heute für meine Frau und meine zwei Kinder dabei. Noch weniger Zeit mit ihnen? Allein der Gedanke daran ist hart», sagt Haidari. Seine Tage sind heute schon lange, Zeit mit seiner Familie hat der 36jährige nur am Wochenende. Doch nicht alle Baustellen, an denen der Demo-Car vorbeifährt, ruhen. Den Baumeistern sind alle Mittel recht, um den Protesttag zu sabotieren. So wurden genau an diesem Tag viele Arbeiter erst auf nach der Znünipause auf die Baustellen zitiert. In der Hoffnung, die Streikbusse nach Zürich seien dann bereits abgefahren. Mehrere Arbeiter berichten zudem von Einschüchterungen und Versuchen, die Belegschaften zu spalten. Manche wurden sogar ins verlängerte Wochenende geschickt.
Doch dadurch lassen sich die gut 250 Büezer auf dem Waisenhausplatz in Bern nicht beirren. Hier am Streik-Treff gibt’s erst mal Kaffee. Auch Eisenleger Embalo Bubacar (51) gönnt sich einen. Er sagt: «Meine Kollegen und ich arbeiten alle in verschiedenen Buden. Doch heute sind wir zusammengekommen, denn als Gruppe sind wir stärker.»
Vier grosse Reisebusse voller motivierter Bauleute brechen vom Waisenhausplatz Richtung Zürich auf. Im Car herrscht gute Stimmung. Wer allein gekommen ist, findet hier Anschluss. Geredet wird viel und in vielen verschiedenen Sprachen. Italienisch, Albanisch, aber am häufigsten: Portugiesisch.
1500 BÜEZER IN ZÜRICH
Auch Schaler Antonio Pereira* spricht es. Und wie bei vielen anderen hier im Bus nagt auch an ihm die Einsamkeit: Seine Familie ist in Portugal. Doch für Pereira ist klar: «Bei jeder Demo spüren wir, dass wir doch nicht allein, sondern eine grosse Familie sind.» Bei der Einfahrt nach Zürich steigt die Aufregung. Für einige Arbeiter ist es der erste Besuch in der Limmatstadt! Und bereits ist die Nachricht durchgedrungen, dass hier die allermeisten Baustellen ruhen. Die Grossbaustellen sowieso.
Beim Volkshaus angekommen, geht schon der Demozug los. Angeführt von einem grossen Bagger, lauter Musik, Trillerpfeifen und guter Laune sind rund 1500 Bauarbeiter und einige wenige Bauarbeiterinnen auf der Strasse. So auch Idris Suljakovic*, der bald in Pension geht: «Ich bin für die jungen Generationen da!» Er ist mit seinen Kollegen aus Luzern angereist. Denn in Zürich versammeln sich heute auch Arbeiter aus der Zentral- und Ostschweiz sowie aus Bern und dem Berner Oberland. Auffällig ist das eher tiefe Durchschnittsalter der Demonstrierenden. Der frühere Bauarbeiter und langjährige Unia-Mitarbeiter Hilmi Gashi sagt sogar: «Ich habe noch nie so viele junge Arbeiter an einer Demo gesehen!» Die Baumeisterpläne beunruhigten jene am stärksten, die noch viele Berufsjahre vor sich haben.
Von der Langstrasse zieht der Protestmarsch in die Bahnhofshalle, wo Tische, Bänke und ein warmes Zmittag auf die Menge warten. Und nach der Mittagspause im Zürcher Hauptbahnhof geht es zur letzten Station: zum Hauptsitz des Baumeisterverbands.
Angekommen, machen die Büezer mächtig Lärm. Doch am Gebäude sind die Jalousien heruntergelassen. Verschliessen die Baumeister die Augen vor der Menge an demonstrierenden Büezern? Oder ist man dort bereits im Wochenende?
* Namen geändert
Jetzt Petition unterschreiben Solidarität mit den Bauleuten, für eine starken LMV!
Der Kampf für einen starken Landesmantelvertrag (LMV) auf dem Bau läuft auf Hochtouren. Der Baumeisterverband will die Büezer 58 Stunden pro Woche chrampfen lassen und die Löhne der älteren Abeiter senken. Die Bauarbeiter hingegen kämpfen für besseren Schutz und mehr Zeit für die Familie.
Um die Bauleute zu unterstützen, hat die Unia die Petition «Bauarbeiter verdienen mehr!» lanciert. Denn: Jede Unterschrift hilft, den Meistern Druck zu machen. Aber nicht nur ihnen. Für Erstunterzeichner und Gewerkschaftsbund-Präsident Pierre-Yves Maillard ist klar: «Der Kampf der Bauarbeiter um die Arbeitszeit betrifft am Ende alle Arbeitnehmenden.»
Auch nach neun Verhandlungsmonaten ist ein neuer Landesmantelvertrag (LMV) noch nicht in Sicht. Unia-Bauchef Nico Lutz (51) erklärt, wie es so weit kommen konnte und was die Protesttage gebracht haben....
Der Wiener Bauriese Porr ergattert in Neuenburg einen Grossauftrag, delegiert aber eine Bude aus dem Appenzellerland, die wiederum Subunternehmen aus zehn Kantonen anheuert. Jetzt steht alles kopf!
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