Die Schweiz ist die Stromdrehscheibe Europas. Doch das Schweizer Stromnetz ist verlottert. Wir können bereits heute in Spitzenzeiten nicht allen Strom aus dem Wallis ins Mittelland oder nach Italien abtransportieren. Deshalb müssen wir die Stromleitungen dringend in den Boden verlegen. Um den Strom dank Gleichstromleitungen mit weniger Verlusten zu transportieren.
STROM UNTER BODEN: Stromleitungen durch unterirdische Tunnels zu verlegen ist die schlaue Alternative zu oberirdischen Hochspannungsleitungen. (Foto: Energiaplus)
Die Schweiz hat im Sommer zu viel Strom. Und im Winter zu wenig. Deshalb müssen wir sinnvollerweise bis 2035 drei Probleme lösen: Erstens das Winterloch stopfen. Zweitens genügend Strom für Elektroautos und Luft-Wasserwärme-Pumpen zur Verfügung stellen. Und drittens die bestehenden Atomkraftwerke vom Netz nehmen.
Und dafür brauchen wir in Etappen 25 Milliarden Kilowattstunden Winterstrom zusätzlich. Zwei Fragen stellen sich: Soll sich die Schweiz in Krisen autark versorgen können? Und müssen wir den Stromhandel mit dem Ausland einstellen?
NIEMAND ZUSTÄNDIG. Es ist von Vorteil, wenn wir uns autark versorgen können. Für den Fall, dass es einmal wirklich kritisch wird. Das ist kein Problem, weil in der Schweiz Notstromaggregate mit einer Leistung von 4000 Megawatt installiert sind. Das entspricht der Leistung von vier Atomkraftwerken. Wir können und müssen diese Notnägel mit Luftfiltern versehen. Das ist heute in der Regel noch nicht der Fall. Und wir müssen die Notstromaggregate im Fall der Fälle mit synthetischem Diesel laufen lassen, sobald dies möglich sein wird.
Noch haben wir in der Schweiz in der Energiepolitik ein perfektes Chaos. Zwar wurden keine Stromunternehmen privatisiert. Aber sie wurden entpolitisiert. Konkreter: Die Kantone Zürich und Aargau sind zwar die Mehrheitsaktionäre des Energieriesen Axpo. Ihre Kantonsregierungen und -parlamente haben aber keinen blassen Schimmer davon, was ihre Axpo so treibt. 1000 Axpo-Trader sitzen vor ihren Bildschirmen und schliessen irgendwelche Stromverträge ab. Einige von ihnen sitzen sogar in Singapur. Und auch die acht Axpo-Verwaltungsräte und die eine Verwaltungsrätin wissen nicht, was wirklich läuft. Mit ihren Spekulationen habe die Axpo acht Milliarden Franken in den Sand gesetzt. Davon geht der St. Galler Professor Karl Frauendorfer aus. Deshalb lege der Energieriese die Karten bisher nicht auf den Tisch. Dies etwa im Gegensatz zu den Unternehmen Alpiq und BKW.
Das Axpo-Management vertritt zudem seit Jahr und Tag den Standpunkt, dass parastaatliche Unternehmen wie die Axpo nicht für die Stromversorgung der Schweiz zuständig seien. Die Logik: Im Tollhaus Schweiz ist also niemand für nichts zuständig. Eigentlich würde es eine parlamentarische Untersuchungskommission, eine PUK, brauchen, die die jüngste Vergangenheit der Schweizer Energiepolitik aufarbeitet.
KEIN STROMABKOMMEN. Die Schweiz ist noch immer die Stromdrehscheibe Europas. An 44 Punkten sind wir mit dem europäischen Stromnetz verbunden. Doch ohne Rahmenabkommen mit der EU gibt es bis auf weiteres kein Stromabkommen.
Das Schweizer Stromnetz ist verlottert. So können wir bereits heute in Spitzenzeiten nicht allen Strom aus dem Wallis ins Mittelland oder nach Italien abtransportieren. Und dies auch, nachdem das Pumpspeicherwerk Nant de Drance in den Walliser Alpen an das Netz gegangen ist. Darum erhöhte der Bundesrat mit Notrecht die Leistung der Gemmi-Leitung von 220 Kilovolt auf 380 Kilovolt. Dies führt allerdings zu grösseren Stromverlusten und wegen der Überschreitung der Grenzwerte zur Verstrahlung der Bevölkerung in Leukerbad und im Berner Oberland.
UNTERIRDISCH. Fehler kann und muss man korrigieren. Wir brauchen in einem ersten Schritt unter anderem eine Strom-Neat zwischen dem Umspannwerk Bickigen BE und Oberitalien. Eine Leitung, die Bickigen über Chippis VS mit Ackersand und Mörel im Wallis und Pallanzeno in der italienischen Region Piemont verbindet. Zwei Fragen stehen dabei im Zentrum:
Erstens: Wollen wir die neuen Hochspannungsleitungen oberirdisch oder unterirdisch bauen? Die vernünftigste Antwort lautet: Nur mit Mikrotunnels, in denen Leitungen verlegt werden, können wir den Rückstand der Schweiz auf die Marschtabelle des ökologischen Umbaus aufholen. Alle Gemeinden und Privaten würden noch so gerne auf Einsprachen verzichten.
Zweitens: Wollen wir mit Wechselstrom oder mit Gleichstrom arbeiten? Antwort: Dank Gleichstromleitungen werden die Energieverluste viel kleiner. Deshalb müssen wir auf diese Technologie umsteigen. Dies auch wegen der höheren Strompreise, die das Energiesparen attraktiver machen.
Bei erdverlegten Gleichstromleitungen sind die jährlichen Betriebskosten einschliesslich Amortisation und Verzinsung des Hochspannungsnetzes absehbar weit günstiger als der Bau neuer oberirdischer Hochspannungsleitungen, die erst noch nicht schnell genug realisiert werden können.
Links zum Thema:
- rebrand.ly/hochspannung
Der Walliser SP-Nationalrat Emmanuel Amoos ist der neue Präsident der Vereinigung «Hochspannung unter den Boden». Vizepräsident ist der unermüdliche Atomgegner und Energieingenieur Heini Glauser. Sie bekommen dank den geplanten alpinen Solaranlagen eine neue Chance.
- rebrand.ly/solarparks
Jetzt geraten sich die Alpenkantone Wallis und Graubünden in die Haare, wer schneller alpine Solaranlagen an das Netz bringen darf. Erfreulich: Das Potential der Alpen reicht aus, um 20 Milliarden Terawattstunden Winterstrom zu produzieren. Unbedingt lesen!
- rebrand.ly/axpo-verteidiger
Der grüne Zürcher Regierungsrat Martin Neukom verteidigt die Axpo, ohne dass er einen Überblick über ihre Tätigkeit hat.