Nico Lutz. (Foto: Unia)
«Als ich morgens um 3 Uhr 20 – nach der letzten Runde der LMV-Verhandlungen – die Unterschrift unter die Vereinbarung setzte, erinnerte ich mich an die Begegnung mit einem portugiesischen Kollegen am Protesttag in Zürich. Er erzählte mir, warum er zusammen mit vielen anderen auf die Strasse ging: ‹Mein Leben gehört mir und meiner Familie – nicht meinem Chef. Ich arbeite, damit wir davon leben können, und nicht umgekehrt. Das müssen wir immer wieder klarmachen.› Und er hat recht. Hätten sich die Baumeister in den insgesamt neun Verhandlungsrunden mit ihren Vorstellungen zur Arbeitszeit durchgesetzt, hätten die Chefs noch stärker über den Alltag der Bauarbeiter verfügen können. Das haben wir zusammen erfolgreich verhindert. Gut so.
Es war aber alles andere als einfach. So gestalteten sich die über 50 Verhandlungsstunden zäh und anstrengend. Es brauchte Hartnäckigkeit und viel Geduld. Über lange Zeit verharrten die Baumeister auf ihrer Position. Nachdem im Herbst die Bauarbeiter in der ganzen Schweiz ihre Stimme erhoben hatten, bewegte sich die Gegenseite und stieg auf eine echte Diskussion ein. Doch auch jetzt folgte die Annäherung im Schneckentempo. Die Einigung fanden wir erst in der letzten Minute, mitten in der Nacht.
Die Verhandlungen waren anstrengend und zäh. Es brauchte viel Hartnäckigkeit.
BEWEGEN. Unterm Strich bin ich verhalten zufrieden mit dem Resultat. Wir konnten sämtliche Verschlechterungen verhindern, unseren Vertrag mit einzelnen Verbesserungen sichern und nach zwei Jahren wieder eine generelle Lohnerhöhung für alle erreichen. Damit werden die Reallöhne in der tiefsten Lohnklasse erhöht, und die anderen bekommen einen guten Teil der Teuerung ausgeglichen. Dieser Lohnabschluss lässt sich auch im Vergleich zu anderen Branchen sehen. Dennoch ist klar: Bei vielen waren die Erwartungen auf Verbesserungen grösser – denn die Bauarbeiter brauchen mehr Schutz und weniger Stress.
Bei Vertragsverhandlungen müssen sich immer beide Seiten bewegen. Dieses Resultat ist ein Ausdruck davon. Wir können so unseren LMV sichern, einzelne Verbesserungen erreichen und einen vertragslosen Zustand verhindern. Kein LMV würde erst recht Lohndumping, überlange Arbeitstage und Arbeit auf Abruf bedeuten. Und die Arbeitgeber würden ihre Angestellten mit individuellen Lohnerhöhungen nach ihrem Gusto abspeisen.
Es bleibt die Erkenntnis: Den Bauarbeitern in diesem Land wird nichts geschenkt. Wir müssen uns gemeinsam für unsere Rechte einsetzen.»