Gewalttätige Fluggäste wurden im Zuge der Coronapandemie zum Riesen-problem. Dann organisierte Check-in-Arbeiterin Daniela Modonesi einen Streik.
ARBEITET AM FLUGHAFEN IN BOLOGNA: Daniela Modonesi. (Foto: Monique Wittwer)
Viel Zeit für eigene Reisen hat Daniela Modonesi nicht. Denn sie arbeitet in einem Vollpensum am Check-in des Flughafens von Bologna. Dort ist sie Supervisorin, also für das reibungslose Fortkommen der Touristenmassen zuständig. Doch die 59jährige ist auch aktive Gewerkschafterin – und zwar nicht nur bei der italienischen FILT CGIL, sondern auch in der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF). Im Weltverband amtet sie als Vertreterin der weiblichen Verkehrsbeschäftigten. Und daher muss Modonesi immer wieder selbst in den Flieger steigen – nach London etwa, wo die ITF ihren Hauptsitz hat. Oder in die Schweiz, wo sie heuer als Ehrengast am SGB-Kongress spricht. Und zwar zu einem globalen Problem: Übergriffe gegen Verkehrsangestellte haben stark zugenommen – auch pandemiebedingt. Modonesi weiss, wovon sie spricht. Schon als 22jährige begann sie als Flughafenarbeiterin. «Damals war der Minirock noch überall Pflicht», erinnert sie sich. Und: «Wir mussten für das Recht auf Hosen kämpfen!»
SCHMINK-VORSCHRIFTEN
Der Luftverkehr sei schon immer ein spezieller Kosmos gewesen. Und noch heute handle es sich um einen Sektor mit starker weiblicher Präsenz, aber ausgeprägter Rollenteilung: «Männer fliegen, fahren Busse und grosse Maschinen.» Anders die Frauen. «Sie werden auf vermeintlich zweitrangige Tätigkeiten verwiesen und auf sexistische Weise dargestellt.» Als Beispiel nennt Modonesi die Flugbegleiterinnen: «Noch heute haben sie rigide Schminkvorschriften, und auch Highheels sind noch Pflicht, aber nur zur Begrüssung. Denn während des Flugs sind sie aus Sicherheitsgründen tabu.» Der Sexismus zeige sich auch im Verhalten der Fluggäste. Bei Problemen etwa werde sie häufig gefragt, wo denn «der Supervisor» sei. Ihr als Frau werde dieser Beruf schlicht nicht zugetraut. Und obendrauf kämen nun noch die verrohten Passagiere.
Modonesi sagt: «Problempassagiere sind nichts Neues, doch Covid hat sie aggressiver gemacht.» Zertifikatskontrollen und die wechselnden Einreisebestimmungen hätten allgemein zu mehr Nervosität und Stress geführt. Bei einigen Gästen reiche aber die kleinste Störung – und schon würden alle Sicherungen durchbrennen. Die Täter, fast immer Männer, heissen im Fachjargon «unruly passengers», also widerspenstige Passagiere. Der Begriff beschönigt.
DIE ATTACKE ZU VIEL
Modonesi hat es schon zigmal erlebt: «Es beginnt mit verbalen Ausfällen, besonders gegen uns Frauen, dann folgen sexistische Sprüche und Beleidigungen, und unter Umständen rastet der Passagier komplett aus.» Dann folgten Boxschläge, etwa gegen die Scheiben des Check-in-Schalters. Oder Kolleginnen würden geschubst. Oder an den Haaren gerissen. Noch Schlimmeres hat Daniela Modonesi vor einem Jahr erlebt: «Ein älterer Herr wurde im Gate aggressiv und hat einer Kollegin mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen.» Das war zu viel. Kurzerhand trat die Belegschaft in den Streik. Ihre Forderung an den Flughafenbetreiber: endlich einen griffigen Schutz vor Gewalttätern. Die Notlage konnte Modonesi eindeutig belegen. Drei Monate lang hatte ihre Gewerkschaft jede Gewalttat gegen das Bologneser Bodenpersonal gezählt. Resultat: 15 Attacken.
Modonesi jedenfalls hatte Erfolg. Mit der FILT CGIL und dem Flughafenbetreiber entwickelte sie ein ausgeklügeltes Warnsystem. Seit April ist es in Kraft. Doch die Gewerkschafterin gibt sich bescheiden: «Wir sind auf gutem Weg – aber noch lange nicht am Ziel.»