Die WM in Katar ist in vollem Gange, bei den Arbeitsrechten der Migrantinnen und Migranten kommt es aber zum Stillstand. Die internationale Baugewerkschaft BHI kritisiert das scharf.
UNGEWISSE ZUKUNFT: Auf internationalen Druck hat Katar den Millionen Arbeitsmigrantinnen und -migranten im Land erstmals Rechte zugesprochen. Wie es nach der WM für sie weitergeht, ist allerdings unklar. (Foto: Keystone)
Die Fussballweltmeisterschaft in Katar zieht zurzeit viel Aufmerksamkeit auf sich. Im Rampenlicht stehen die ruhmreichen Fussballer. In den Schatten rücken jene, die den Mega-Event überhaupt möglich machen: die Hunderttausende Arbeitsmigrantinnen und -migranten aus Bangladesh, Nepal und von den Philippinen, die die Fussballstadions und Hotels bauten. Oder im Gastgewerbe, im Sicherheitssektor oder als Hausangestellte arbeiten. Oft zu miesen, manchmal sogar tödlichen Bedingungen (work berichtete wiederholt: workzeitung.ch/katar). Aus diesem Grund engagiert sich die Internationale Bau- und Holzarbeiter-Gewerkschaft (BHI) seit über zehn Jahren für die Arbeitsrechte in Katar. Der Gewerkschaft gelang es, vielversprechende Verbesserungen für die Arbeitsmigrantinnen und -migranten zu erkämpfen. Der wichtigste Punkt: die Abschaffung des berüchtigten «Kafala»-Systems, das es den Arbeitern verboten hatte, ohne Einverständnis des Chefs die Stelle zu wechseln oder das Land zu verlassen. Dazu: die Einführung eines generellen Mindestlohns und die Möglichkeit, Verstösse zu melden.
Die Gewerkschaften fordern eine Garantie, dass die Arbeitsreformen auch nach der WM gesichert sind.
PROFIT ÜBER LEBEN
Doch kurz vor dem Anpfiff der Weltmeisterschaft übte die BHI nun harsche Kritik. Der Grund: Die Gewerkschaft hatte ein klares Bekenntnis verlangt, dass die gemachten Reformen auch über die WM hinaus gesichert und durchgesetzt werden. Doch die katarischen Behörden und die Fifa hüllen sich in Schweigen.
Dabei wären solche Garantien dringend nötig, wie ein Fall nur knapp zwei Monate vor WM-Anpiff zeigte: Über ein halbes Jahr mussten sechzig Baubüezer ohne Lohn chrampfen. Als sie sich dagegen wehrten, liess der WM-Gastgeber sie verhaften – und einige sogar aus dem Land schaffen. Die Regierung kündigte schliesslich an, die ausstehenden Saläre zu zahlen. Doch die BHI stellt bei ihrer Arbeit vor Ort immer wieder fest: Arbeitgeber missachten Gesetze und verstossen gegen Menschenrechte.
Auch an der Fifa übt die Gewerkschaft scharfe Kritik für leere Versprechen. Schliesslich hatte der Fussballverband gelobt, sich dafür einzusetzen, den Arbeiterinnen und Arbeitern in Katar über die WM hinaus sichere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Für die BHI ist jedoch klar: Innerhalb der Fifa gibt es grundlegende Konflikte zwischen «einer starken Menschenrechtspolitik und Business as usual».
IN DIE VERLÄNGERUNG
Doch die Gewerkschaft lässt nicht locker. Drei konkrete Forderungen wurden noch vor dem Anpfiff der WM gestellt: Die vereinbarten Arbeitsrechte müssen endlich eingehalten werden, sogenannte Workers Centers als sichere Anlaufstellen aufgebaut und auf lange Sicht – also auch nach der WM – die Rechte und die Sicherheit der Arbeiterinnen und Arbeiter geschützt werden.
Für die BHI ist klar: Die Gewerkschaften setzen sich weiterhin mit aller Kraft für die Arbeiterinnen und Arbeiter in Katar ein. Oder wie die BHI es in der Sprache des Fussballs sagt: «Die Arbeitsmigranten müssen in die Verlängerung, während der Ausgang immer noch nicht feststeht.»
Die «Akte Katar»
Zum Anpfiff der Fussball-WM veröffentlichte work alle bisher erschienenen Artikel zum Thema im grossen Online-Dossier: workzeitung.ch/katar