Der Gewerbeverband setzt sich mit Henrique Schneider einen rechten Ideologen an die Spitze.
Henrique Schneider (Foto: Youtube)
Mit Hans-Ulrich Bigler (64) herrscht seit 15 Jahren ein rechter Polteri über den Schweizerischen Gewerbeverband (SGV). Die Folge: Der Verband, der laut Eigenwerbung 600 000 KMU vertritt, ist zum Seitenwagen der Blocher-SVP verkommen. Zur Sünneli-Partei ist der Alt-FDP-Nationalrat nun auch offiziell übergelaufen. Gelohnt hat sich’s nicht: Bei den Zürcher Wahlen vom 12. Februar verpasste Bigler den Einzug ins Kantonsparlament. Der Gwerbler-Chef geht jetzt in Pension. Frischer Wind ist im SGV aber nicht zu erwarten. Denn Biglers Nachfolger wird Henrique Schneider (45). So haben es am 8. Februar 80 SGV-Delegierte (darunter 8 Frauen) einstimmig beschlossen. Doch wer ist dieser Mann?
Weil es beim Grosskapital nicht klappte, ging Schneider zum SGV.
FÜR AKW. Beim SGV ist Schneider schon vor 13 Jahren gelandet, wenn auch relativ zufällig. Denn gleichzeitig hatte er sich bei Economiesuisse beworben, dem Dachverband des Grosskapitals. Dort wollte man den Appenzeller SVPler aber nicht. Beim SGV gab’s dafür den Posten des Chefökonomen und bald auch den des Vizedirektors. Es folgten Mandate für die Atomlobby und mehrere Bundes-Jöbli, etwa bei der Rüstungskommission oder der Wettbewerbskommission.
Vom Haudegen Bigler unterscheidet sich der Neue im Stil. Schneider gefällt sich in der Rolle des Intellektuellen. Häufig schwärmt er von seiner Studentenzeit in den USA, in China und an der St. Galler HSG, wo er Anschluss fand an alle relevanten Zirkel der Ultraliberalen und Marktradikalen. Das Akademische ist ihm geblieben. Schneider ist nebenberuflich Wirtschaftsprofessor an einer norddeutschen Privathochschule. Eines seiner Credos verriet er einst der «Weltwoche»: Schweizer Grossfirmen gingen häufig Allianzen mit der Linken ein. Das sei schlecht, da «die Linke die Hand beisst, die sie füttert». Schuld seien die «Sozis vom Hegibach» – so nennt Schneider die Economiesuisse!
FÜR AFD. Statt Kompromisse sucht er die Konfrontation. So wie der Dumpingdienst Uber, dem Schneider fasziniert ein Buch widmete. Auch journalistisch ist er tätig, etwa bei der rechten «Umwelt-Zeitung», die er mit Ex-Weltwoche-Mann Philipp Gut herausgibt. Oder beim «Pragmaticus», einem reaktionären Medienprojekt von Prinz Michael von Liechtenstein. Oder bei «Eigentümlich.Frei», einem deutschen Libertären-Heft, in dem auch Faschisten publizieren. Und a propos Rechtsextreme: Für die AfD verfasste Schneider 2021 ein dickes Gutachten über «Umerziehung» im Schulwesen. Aufgefallen ist der Professor auch in der Pandemie, als er von einer «Impfreligion» fabulierte und das Referendum gegen das Covid-Gesetz unterstützte – entgegen der Position des Gewerbeverbands. Wundern sollte das nicht. Schneider blöfft offen: «Ich bin subversiv!»