Laura Gonzalez Martinez ist Verkäuferin in Zürich und Gewerkschafterin.
Neues Jahr, neue Herausforderungen. Kaum sind die alten geschafft, warten die neuen Aufgaben auf uns, nach einer kurzen Verschnaufpause. Kurz sind die Pausen für uns Verkäuferinnen und Verkäufer sowieso. Sei es während der Festtage oder im Alltag ganz allgemein. Die wertvollen dreissig Minuten Pause verbringe ich sitzend im voll mit Umsatzzahlen plakatierten, grauen Aufenthaltsraum.
Den Kaffeebecher haltend, arbeitet mein Kopf ungehindert weiter. In dieser Filiale in Zürich übe ich seit ungefähr vier Jahren den Spagat zwischen der Molki und der Brotabteilung. Aber es ist immer das gleiche: Ich muss in die acht Arbeitsstunden noch Unmengen an Ämtli dazupacken, so viel, dass ich danach meine private Liste im komatösen Zustand abrackere. Egal wo, die To-do-Liste scheint immer endlos zu sein.
«Nei, das liit jetzt nüm drin»
REBELLISCH. In einer dieser wertvollen Kaffeepausen habe ich mich gefragt, inwieweit ich das muss, ob ich das will, was für mich Priorität hat, und ob das Verhältnis zwischen meinem Lohn und meiner Leistung stimmt. Die Antwort war schnell klar. Die Augen meiner Vorgesetzten wurden gross, die Verwunderung über mein selbstbewusstes Auftreten noch grösser. Mein Satz «Nei, das liit jetzt nüm drin» löste mehrere angeregte Diskussionen aus, Verärgerung, aber vor allem – und das ist das Wichtigste – Veränderungen. Ich hatte die Routine unterbrochen: wie skandalös, wie rebellisch!
Es erfordert Mut, mal Nein zu sagen, wenn es begründet ist. Denn ich bin nicht der geheime Joker, den man bequem für alles einsetzen kann. Zwar bin ich jetzt nicht mehr der Lieblingsjoker, aber das «Nei» hat sich gelohnt. Diskussionen entgegne ich jetzt ohne Angst, mit mehr Interesse und vielen Argumenten. Und ich bin jetzt fitter nach der Arbeit. Fit für noch mehr Veränderungen.
LAUT. Meinen Kaffee werde ich in diesen kargen Pausenräumen noch länger anstarren und die To-do-Liste vor meinem inneren Auge durchgehen müssen. Die gescheiterte AHV-Reform ist auch ein guter und wichtiger Grund, die Liste anzupassen. Kürzer wird sie nicht, aber ich kann sie mitgestalten. Dieses Jahr werde ich lauter, politischer und unangepasster sein. Ich freue mich darauf und auf die Veränderungen, die folgen werden.