Jeden Monat 370 Franken zu viel kassieren Immobilienkonzerne durchschnittlich pro Wohnung und schmälern so die Kaufkraft der Mietenden massiv. Und sie wollen noch mehr.
DARF’S EIN BISSCHEN MEHR SEIN? Für die Immo-Haie immer. Dabei wären die Mietenden mit niedrigen und mittleren Einkommen dringend auf das Geld angewiesen, das sie fürs Wohnen zu viel bezahlen. (Foto: Catprint Media)
Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen geben jeden Monat zwischen 25 und 35 Prozent davon fürs Wohnen aus. Sie sind es auch, die am stärksten von Mietzinserhöhungen betroffen sind (work berichtete: rebrand.ly/sozialpolitische-zeitbombe).
Besserung ist nicht in Sicht. Denn die Nebenkosten werden weiter steigen. Und die Mieten auch. Obwohl diese bereits jetzt gesetzeswidrig hoch sind. Eine Studie des Büros für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS, nachzulesen hier: rebrand.ly/bass-mieten) hat untersucht, um wie viel die Mieten zwischen 2006 und 2021 gemäss Mietrecht hätten ansteigen dürfen – und wie stark die Aufschläge tatsächlich waren. Ergebnis: Seit 2006 haben Vermieter insgesamt 78 Milliarden Franken zu viel kassiert. Allein 2021 bezahlten Mietende schweizweit 10 Milliarden zu viel: Das macht pro Monat und vermietete Wohnung durchschnittlich 370 Franken – pro Jahr 4400 Franken!
Die Bundesrichterinnen und -richter von FDP, SVP und Mitte machten der Immo-Lobby ein dickes Geschenk.
GESETZESWIDRIG
Eigentlich ist das Gesetz und seine Auslegung klar: Aktuell dürfte die Maximalrendite der Hausbesitzerinnen und -besitzer bei 3,25 Prozent liegen. Die Nettorendite betrug im von der BASS-Studie untersuchten Zeitraum im Durchschnitt ganze 6,2 Prozent. Renditen von 6 oder 7 Prozent sind also an der Tagesordnung. Grosse Immobiliengesellschaften ziehen aus ihren Liegenschaften gar Profite im zweistelligen Prozentbereich. Besonders stossend: Bereits die heute als «angemessen» und deshalb als zulässig geltende Rendite von 3,25 Prozent ist ein Beispiel dafür, wie einflussreich die Immobilienlobby ist. Denn bis zum 26. Oktober 2020 galt «angemessen» als wesentlich tiefer.
FDP-IMMO FILZ
Dann kam das Bundesgericht. Seine Erste zivilrechtliche Abteilung setzte in einem Handstreich die Marge über dem Hypozins um 1,5 Prozentpunkte auf 2 Prozent hoch. Für alle Mietverhältnisse. Zusammengesetzt ist diese Kammer ausschliesslich aus Richterinnen und Richtern aus FDP, SVP und Mitte. FDP-Frau Christina Kiss präsidierte die Verhandlung. Sie führte in der Urteilsbegründung mehrfach eine parlamentarische Initiative von FDP-Nationalrat Olivier Feller an, wie die «Sonntagszeitung» zuerst berichtete. Darin forderte der FDP-Nationalrat, was das Bundesgericht dann entschied: Statt 0,5 Prozent sollen Immobilienbesitzende 2 Prozent Rendite über dem Referenzzinssatz einsacken dürfen. Feller wird als Direktor der Waadtländer Immobilienkammer direkt von der Immo-Lobby bezahlt. Brisant: Fellers parlamentarische Initiative wurde vom Parlament nicht angenommen. Der Nationalrat stimmte zwar zu, der Ständerat lehnte sie ab. Am 15. Dezember 2020. Sieben Wochen davor hatte das Bundesgericht bereits Fakten zugunsten der Immo-Haie geschaffen.
ES WIRD SCHLIMMER
Seither hat sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt weiter zugespitzt. Das hat verschiedene Gründe (unter anderem steigende Zinsen, das knappe Angebot an bezahlbaren Wohnungen, explodierene Strom- und Heizkosten). Doch abgesehen von den konkreten aktuellen Gründen für steigende Wohnkosten, bleibt das Grundübel: Wohnraum wird als Ware betrachtet, und es wird behauptet, es bestehe ein «freier Markt».
Das ist falsch. Denn das Land ist beschränkt, Boden kann nicht hergestellt werden, wenn die Nachfrage steigt, er ist ein beschränktes Gut. Deshalb muss «der Markt», wenn er schon wütet, wenigstens kontrolliert werden. Konkret: die Preise deckeln, die Mieten kontrollieren und Wohnraum der Spekulation entziehen. Der Mieterinnen- und Mieterverband hat eine aktuelle Analyse erarbeitet und stellt Forderungen für eine zukunftsfähige Miet- und Wohnpolitik (hier runterzuladen rebrand.ly/mv-analyse).
WAS MIETENDE FORDERN
Damit mehr bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht, verlangt der Mieterinnen- und Mieterverband unter anderem:
- Eine Abkehr von der heutigen Praxis, dass sich jede Mieterin und jeder Mieter alleine gegen missbräuchlich hohe Mieten wehren muss. Denn weil Mietende in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Vermietenden stehen und Angst um ihre Wohnung haben, vermeiden die meisten den Konflikt und bezahlen die überhöhten Mieten. Doch einen institutionellen, automatischen Kontrollmechanismus scheuen die Immo-Haie wie der Teufel das Weihwasser. Und lassen entsprechende Vorstösse regelmässig von ihren Parlamentarierinnen und Parlamentariern abschmettern.
- Förderung von gemeinnützigem Wohnraum.
- Ein Vorkaufsrecht für Gemeinden und Kantone von Privatliegenschaften.
- Zonen exklusiv für gemeinnützigen Wohnungsbau.
- Die Aufhebung der Lockerungen bei der «Lex Koller», also jenem Gesetz, das eigentlich verhindern sollte, dass ausländisches Kapital mit Schweizer Boden und Immobilien spekuliert. Allerdings haben es die rechten Parlamentsmehrheiten immer wieder aufgeweicht.
HAIE WOLLEN NOCH MEHR
Die Immobilienlobby gehört zu den einflussreichsten im Bundeshaus. Darum ist das Mietrecht so mieterunfreundlich. Und die Hauseigentümerinnen und -eigentümer wollen immer noch mehr. Für den 7. März ist im Parlament ein ganzer Wunschzettel der Immobilienhaie traktandiert.
work hat die geplanten Angriffe auf die Rechte von Mieterinnen und Mietern hier detailliert dokumentiert: rebrand.ly/immo-haie.